Thuner See und Harder Kulm

Nebelküche und Alpenglühen

Eigentlich wollte ich an einem der Tage im Berner Oberland mit der uralten Zahnradbahn auf die Schynige Platte fahren, einem Berg, von dem aus man großartige Sicht auf die Viertausender des Berner Oberlands hat. Von dort gibt es Wanderwege über einen Bergrücken und hinauf auf das Faulhorn, auf dem die Aussicht noch besser sein sollte.

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Zahnradbahn von Wilderswil zur Schynige Platte

Das Wetter sah ganz und gar nicht gut aus, aber da ich auf Besserung hoffte, stieg ich doch in die Bahn ein, die sich unglaublich langsam und ungefedert den Berg hinauf rumpelt. Während der Fahrt war von Besserung des Wetters nichts zu sehen, im Gegenteil: Oben angekommen, stand ich in stürmischem Regen und einer dichten und völlig undurchdringlichen Nebelsuppe. Die Sicht in diese homogene Brühe war so sinnlos, dass ich gleich die nächste Bahn wieder bergab nahm.

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Bergstation Schynige Platte

Während der Fahrt studierte ich noch einmal das Prospekt des Mehrtagestickets für die Bahnen im Berner Oberland genauer und stellte erfreut fest, dass Schiffsfahrten auf dem Thuner und Brienzer See im Pauschalpreis eingeschlossen waren. Also auf mit der Bahn in ein paar Minuten nach Interlaken, das zwischen diesen beiden Seen liegt, und dort noch mal mit einem Schnellzug vom Bahnhof Ost zum Bahnhof West, der am Thuner Sees liegt. Immer noch im Regen stieg ich dort in eines der Schiffe ein, die auf dem See zwischen Thun und Interlaken mit mehreren Zwischenstationen pendeln.

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Anlegestelle Interlaken am Ostende des Thuner See

Man hat sich in dem Schiff bemüht, durch den Einsatz vieler edel wirkender Hölzer im Innenausbau und einer blitzblank geputzten Maschine, die man von einer Empore oberhalb des Maschinenraums in Aktion sehen konnte, ein wenig mondäne Titanic-Atmosphäre zu verbreiten, ein Eindruck, der allerdings durch Fettflecken und Speisereste auf den Tischen und einen äußerst misslungenen Kaffee mit Schuss aus der Bordküche schwer beeinträchtigt wurde.

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Auf einem Fährschiff auf dem Thuner See

Das Ziel meiner Fahrt waren die St. Beatus-Höhlen, die auf einem kurzen Fußweg von einer der ersten Anlegestellen aus zu erreichen sind und ein Stück über dem Nordufer des Thuner Sees liegen. Höhlen sind bei Regen ein ideales Ausflugsziel.

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Thuner See in Richtung Westen vom Fußweg zu den St. Beatus-Höhlen aus gesehen

In den St. Beatus-Höhlen kann man etwa einen Kilometer tief in den Berg hineingehen und sieht links und rechts des Weges viele Stalagmiten, Stalaktiten, Kalkablagerungen in vielen Formen, kleine Wasserfälle und Teiche, die sich gebildet haben, und Moose und andere Pflanzen, die sich dort anscheinend trotz der Dunkelheit wohlfühlen.

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St. Beatus-Höhlen

Der Weg und viele der niedrigen Höhlenschächte sind allerdings tagsüber, wenn die Höhle für Besucher geöffnet hat, effektvoll beleuchtet.

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St. Beatus-Höhlen
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St. Beatus-Höhlen

Am Eingang wird man darauf hingewiesen, dass man hier eine Handy-App herunterladen kann, die durch die Höhle führt und sich an verschiedenen Highlights der Höhle mit Erläuterungen meldet.

Bei mir hat diese App nicht funktioniert und ich habe daher auf die konventionellen Beschilderungen zurückgegriffen, die an diversen Stellen aufgestellt sind.

Es gibt in der Höhle keine Rundtour, so dass man den gleichen Weg, den man gekommen ist, auch wieder zurückgehen muss. Da es schon spät und kurz vor Schließung der Höhle war, habe ich den Weg bei laufender Kamera vor der Brust im Eiltempo genommen. Den Plan, das Werk als „St. Beatus-Höhlen-Speed Run“ auf YouTube zu veröffentlichen, habe ich aufgrund der unbefriedigenden Qualität erst mal fallen gelassen.

Als ich den Ausgang erreichte, war ich völlig verblüfft: Das Wetter hatte sich plötzlich in strahlenden Sonnenschein und blauen Himmel gewandelt, obwohl ich vielleicht gerade einmal eine Stunde in der Höhle gewesen war.

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Thuner See, Schynige Platte in der Mitte und der schneebedeckte Eiger rechts im Hintergrund

Die Schynige Platte, die ein paar Stunden vorher noch in Regen und dicke Wolken gehüllt war, hatte jetzt ungestörte klare Sicht, aber um die Fahrt hinauf noch einmal zu wiederholen, war es inzwischen zu spät. Während der Bootsfahrt zurück nach Interlaken fand ich allerdings heraus, dass die Standseilbahn auf den Harder Kulm, dem Hausberg von Interlaken, bis in die späteren Abendstunden verkehrt.

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Kanal vom Ostende des Thuner Sees nach Interlaken-West mit dem Harder Kulm als Berg im Vordergrund

Also machte ich mich vom Fähranleger per kurzer Zugfahrt wieder auf zum Bahnhof Interlaken-Ost, in dessen Nähe sich die Talstation der Seilbahn auf den Berg befindet.

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Anlegestelle Interlaken am Ostende des Thuner See

Vom Bahnhof führt ein kurzer Weg über die Aare zur Talstation der Harderbahn, einer Standseilbahn, d.h. einer Kabinenbahn, die sich auf Schienen bewegt und von einem Seil gezogen wird.

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Blick über die Aare in Interlaken mit Eisenbahnbrücke zum Bahnhof Interlaken-Ost
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Aussichtspunkt auf dem Harder Kulm

Der Harder Kulm am nördlichen Stadtrand von Interlaken ist mit 1322 Metern nicht allzu hoch, aber trotzdem ein fantastischer Aussichtsberg auf das Panorama von Interlaken und seiner beiden östlichen und westlichen Seen, dem Brienzer und dem Thuner See, sowie der Hochgebirgswelt des Berner Oberlands.

Von der Bergstation der Harderbahn geht man noch ein kurzes Stück gemächlich bergan, bis man auf ein Restaurant mit Terrasse und eine Aussichtsplattform trifft, die ein paar Meter über den Abhang in Richtung Interlaken gebaut ist und eine besonders exponierte – und nicht zuletzt auch recht windige – Lage hat, von der aus man freie Sicht nach Süden über die Stadt und ins Hochgebirge und nach Osten und Westen über die beiden Seen hat.

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Pseudo-Panoramafoto mit Brienzer See links, Interlaken in der Mitte mit dem Talzugang zu den Hochdörfern des Berner Oberlands – Grindelwald, Lauterbrunnen, Wengen, Mürren und Gimmelwald – und Thuner See rechts

Teile von Interlaken, der Seen und der Täler lagen zwar am schon im Schatten, aber die hohe Bergkette von Eiger, Mönch und Jungfrau empfing noch volles Sonnenlicht.

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Eiger, Mönch und Jungfrau. Ganz links die Spitze des Schreckhorns über dem Bergrücken der Schynige Platte im Vordergrund.

Zwar bietet der Blick in Richtung Süden ins Berner Oberland die schönste Aussicht, aber auch die niedrigeren grünen Berge und Hügel in den nördlich gelegenen Emmentaler Alpen, zu denen auch der Harder Kulm selbst gehört, sind sehenswert.

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Emmentaler Alper vom Harder Kulm aus gesehen

Langsam neigte sich die Sonne immer mehr dem Horizont zu und die verbliebenen einzelnen Wolken über dem Thuner See zeigten eine prächtiges Farbspiel.

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Thuner See

Beim Blick nach Süden ins Berger Oberland wurde mir dann auch klar, warum gerade die Harderbahn und der Aussichtspunkt auf dem Harder Kulm im Sommer so lange geöffnet hat, denn bei Sonnenuntergang beginnt an den Fels- und Eiswänden von Eiger, Mönch und Jungfrau eine große Theatervorstellung: Alpenglühen!

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Eiger mit Eiger-Nordwand

Hier fällt nebenbei auch auf, dass die Eiger-Nordwand nicht in streng nördliche Richtung, sondern eher in Nordwest-Richtung zeigt und daher am Abend etwas Sonne mitbekommt, die freilich nicht mehr warm und intensiv genug ist, um die gefährlichen Eisfelder in der Wand abzutauen.

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Mönch
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Jungfrau

Ganz in der Ferne war auch die Spitze des Schreckhorns als weiterem vom Harder Kulm aus sichtbaren Viertausender in rötliches Licht getaucht.

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Schreckhorn

Nach Sonnenuntergang nahm ich die letzte Fahrt der Harderbahn ins Tal und machte mich wieder über die Brücke auf zum Bahnhof Interlaken-Ost.

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Blick über die Aare in Interlaken

Inzwischen waren im Westen wieder lockere Wolken aufgezogen.

(Fotos vom September 2017)

 

2 Kommentare zu „Thuner See und Harder Kulm“

    1. Danke! Ja, das Tagesprogramm verlief wegen des Wetterwechsels ganz anders als geplant, aber es ist in der Gegend gar kein so großes Problem, weil Du ja überall die Züge und Bergbahnen hast. Ich hatte ein Mehrtagesticket, dann kann man beliebig viel und oft im Berner Oberland herumfahren.

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