Kleiner Aussichtsberg auf der Westseite des Mont-Blanc-Massivs
Der Mont Lachat ist mit 2115 Metern Höhe ein eher niedriger und unspektakulärer Berg in der Mont-Blanc-Gruppe, aber dafür ist er einfach zu erreichen und bietet nichtsdestotrotz eine fantastische Aussicht auf die umgebenden Berge und Täler und einige Gletscher des Mont-Blanc-Massivs.
Am einfachsten ist er von dem kleinen Ort Les Houches südwestlich von Chamonix aus zu erreichen. Von hier geht eine Kabinenbahn hinauf zur Bahnstation Bellevue der Zahnradbahn Tramway du Mont-Blanc. Alternativ kann man auch direkt mit der Zahnradbahn von Le Fayet aus zu dem kleinen Bahnhof hinauffahren.
Station Bellevue der Tramway du Mont Blanc
Von der Bergstation der Seilbahn hat man einen schönen Blick hinunter ins Tal nach Les Houches und das nördlich gelegene Massif de Plate.
Massif de Plate, Les Houches und Servoz
Von der Bergstation sind es nur etwa 300 Höhenmeter hinauf zum Mont Lachat und man kann den Gipfel auf zwei Wegen erreichen, die sich auch gut zu einer Runde verbinden lassen.
Der Weg, der sich nördlich des Berges hinaufzieht, bietet ständige Aussicht hinab ins Tal der Arve mit Chamonix und den Bergen der Aiguilles de Chamonix.
Chamonix, Aiguille Verte in der Mitte und Aiguilles de Chamonix mit der Aiguille du Midi ganz rechts
Bevor der Gipfel des Mont Lachat erreicht wird, gelangt man auf eine kleine Passhöhe, den Col du Mont Lachat.
Col du Mont Lachat
Das letzte Stück des Weges auf den Pass ist von blumenreichen Wiesen gesäumt.
Auf dem Weg zum Mont Lachat
Direkt über den Rücken des Passes verläuft die Zahnradbahnlinie der Tramway du Mont Blanc.
Trasse der Tramway du Mont Blanc am Col du Mont Lachat
Ein schmales flaches Plateau wird genutzt, damit die entgegenkommenden Züge der sonst einspurigen Strecke aneinander vorbeifahren können.
Die andere Richtung der Bahnlinie auf dem Col du Mont Lachat
Viel Betrieb herrscht am Pass nicht, aber man mag trotzdem seltenen Besuch hier oben erhalten.
Mit etwas Glück erwischt man den Moment, wenn eine der Zahnradbahnen über den Pass den Berg hinauf- oder hinunterklettert.
Tramway du Mont Blanc am Col du Mont Lachat, Aiguille Verte im Hintergrund
Zur anderen Seite des Passes, den man gerade erstiegen hat, eröffnet sich der Blick auf die dem Mont Blanc vorgelagerte Aiguille de Bionnassay und ihren Gletscher.
Aiguille de Bionnassay, Glacier de Bionnassay
Weiter westlich kann man hinüber zum Col de Tricot schauen, der mit seiner perfekten Form einer Passhöhe direkt ins Auge sticht.
Col de Tricot
Vom nahegelegenen Gipfel des Mont Lachat hat man einen fantastischen Rundblick in alle vier Himmelsrichtungen. In Richtung Westen weiter nach Frankreich hinein sieht man die Bergkette der Chaîne des Aravis über den Wäldern und Almen oberhalb der Station Bellevue, zu welcher der weitere Verlauf des Rundwegs jetzt zurückkehrt.
Chaîne des Aravis
Östlich erheben sich die Gipfel der Aiguilles de Chamonix.
Aiguille du Midi, Mont Blanc du Tacul
Etwas weiter unterhalb des Gipfels hat man die beste Aussicht auf die Westflanke des Mont-Blanc-Massivs, auch wenn man von hier den Hauptgipfel nicht sehen kann.
Mont Blanc du Tacul, Aiguille du Goûter, Aiguille de Bionnassay, links im Vordergrund der Mont Lachat
Der Weg geht steiler hinunter als der langgezogene Weg über dem Tal von Chamonix zum Gipfel hinauf ging, und langsam schwindet die Aussicht auf die Zentralgipfel des Mont-Blanc-Massivs.
Aiguille de Bionnassay
Jedoch gibt es unterwegs noch einmal eine freie Aussicht auf die Aiguille du Midi.
Aiguille du Midi
Der Rundweg kehrt durch kurze Waldstücke und über Wiesen schließlich zur Station Bellevue zurück.
Der Glacier des Bossons ist unter den Gletschern des Mont-Blanc-Massivs derjenige, der noch am weitesten ins Tal von Chamonix hinabfließt, auch wenn er sich wie das Mer de Glace immer weiter zurückzieht und seine Gletscherzunge längst nicht mehr so leicht zu erreichen ist wie vor vielen Jahren; aber sie ist in einer Höhe von 1400 m trotzdem die tiefstgelegene Gletscherzunge der Alpen.
Der Gletscher fällt in Chamonix direkt ins Auge und an der südwestlich verlaufenden Landstraße befindet man sich unmittelbar unter ihm und hat einen guten Blick auf seine Eismassen.
Fast bis zur Gletscherzunge gelangt man bequem mit einem langen Sessellift, der etwas außerhalb von Chamonix beginnt und an einer bewirtschafteten Berghütte endet.
Der Sessellift verläuft in zwei Stufen – ohne dass man umsteigen müsste – über eine flache Stelle, an der man abspringen könnte – oder aufspringen, was aber beides eher unerwünscht ist.
Wanderwege beginnen an der Bergstation, die noch weit höher in die Mont-Blanc-Region führen, und ein kurzer Pfad, auf dem die Geschichte des Gletschers – und das heißt meistens seine Verkleinerung – anschaulich dokumentiert ist, reicht bis zu einer Aussichtsterrasse unterhalb der Gletscherzunge.
Die Gletscherzunge ist aber fast genauso gut von der Bergstation des Sessellifts aus zu sehen.
Einen guten Blick über Chamonix und das Tal der Arve in Richtung Schweizer Grenze hat man von hier auch.
Und auch auf die gegenüberliegende Bergkette der Aiguilles Rouges.
Der Sessellift hat im Sommer bis 19:00 h geöffnet, was im Vergleich zu anderen Seilbahnen um Chamonix außergewöhnlich lang ist, aber vielleicht daran liegt, dass die Fahrt mit dem Lift im milden Abendlicht ein besonderes Vergnügen ist.
Je nach Wetterlage sind vom Lift aus weite Ausblicke ins Tal und auch hinauf in die Gipfelregionen des Mont-Blanc-Massivs möglich.
Eine Kuriosität dieses Gletschers ist es übrigens, dass er immer wieder die Überreste zweiter Flugzeugabstürze in den 50-er und 60-er Jahren freigibt, die im oberen Bereich des Gletschers stattfanden, wie zum Beispiel noch 2013 einen Behälter mit Juwelen, der jahrzehntelang nach dem Absturz durch den Gletscher transportiert wurde und mehrere 100.000 € wert war.
Der Lac Blanc liegt auf etwa 2350 Metern Höhe in den Bergen der Aiguilles Rouges über Chamonix, der nordwestlich vom Tal gelegenen Gebirgskette, die dem Mont-Blanc-Massiv gegenüberliegt.
Die Wanderung zu dem kleinen Bergsee ist eine klassische Tour und eine der beliebtesten und meistbegangenen in der Chamonix-Region. Entsprechend herrscht dort in der Hochsaison im Juli/August bei gutem Wetter ausgesprochener Hochbetrieb. Ich hatte Glück: Es war schon September und das Wetter war schlecht. Aber selbst bei Regen ist es am Lac Blanc nicht menschenleer.
Felstürme oberhalb der Sesselliftstation L’Index
Der einfachste Weg, um zum Lac Blanc zu wandern, beginnt an der Bergstation der Seilbahn La Flégère, die im Vorort Les Praz von Chamonix beginnt, oder noch weiter oben am Ende ihrer Verlängerung, dem Sessellift zur Station L’Index.
Hier befindet man sich schon mitten in den Aiguilles Rouges, die ihren Namen dem rötlichen, mit Eisenoxiden angereicherten Gestein entlehnt haben, das hier in der Tat allgegenwärtig und auffällig ist.
Von L’Index kann man eine zwei- bis dreistündige Runde laufen, die zum Lac Blanc führt und dann hinunter zur Bergstation La Flégère.
Man hat auf diesem Weg, der zum Teil zum Grand Balcon Sud gehört, einen ähnlich fantastischen Ausblick auf das Mont-Blanc-Massiv wie vom etwas weiter südwestlich in den Aiguilles Rouges gelegenen Brévent aus.
Mont-Blanc-Massiv, links Aiguille du Midi (3842 m)
Oft ist auch ein tiefer Blick ins Tal auf Chamonix möglich.
Chamonix im Tal, links die Aiguilles de Chamonix, weiter rechts Glacier des Bossons und Glacier de Taconnaz, unten im Vordergrund die Bergstation der Seilbahn La Flégère
Der Weg von L’Index zum Lac Blanc verläuft immer unterhalb der schroffen Felsformationen der Aiguilles Rouges, die hier keinen Gletscher, aber ein paar Schneefelder in den schattigeren Schluchten zu bieten haben.
Combe des Aiguilles Crochues, links Aiguille de la Floria (2888 m), rechts Aiguilles Crochues (2840 m)Tal des Mer de Glace
Je weiter man sich auf dem Weg dem Lac Blanc nähert, desto besser erhält man Einblick in die gegenüberliegenden nördlicher gelegenen Seitentäler des Mont-Blanc-Massivs.
Deutlich ist von hier das vom früheren Gletscher leergefegte Tal des Mer de Glace zu sehen. Der Gletscher floss einst bis hinunter ins Tal von Chamonix, aber jetzt ist er nur noch im oberen Bereich auszumachen, wo der Glacier de Leschaux und der direkt von den Mont-Blanc-Gipfeln kommende Glacier du Tacul zusammentreffen.
Noch weiter nördlich sieht man die weiteren Seitentäler des Glacier d’Argentière und des Glacier du Tour.
In der Mitte Aiguille du Tour und Glacier du Tour, rechts Aiguille de Chardonnay und Glacier d’Argentière
Nach einem kurzen steileren Anstieg erreicht man schließlich den Lac Blanc, der sich vor der Kette der Aiguilles Rouges in zwei Teilen erstreckt, die bei höherem Wasserstand auch verbunden sein mögen: Einem kleineren Teil im Vordergrund…
Vorderer Teil des Lac Blanc
…und dem größeren Teil des Sees im Hintergrund. Am Ufer des vorderen Sees kann man bis zu der schmalen, die beiden Teile trennenden Landzunge herumlaufen, von der aus man Aussicht auf den hinteren Teil des Sees und auch auf die Aiguille du Belvédère, den mit 2965 Metern höchsten Berg der Aiguilles Rouge, hat.
Hinterer Teil des Lac Blanc, im Nebel links Aiguille du Belvédère (2965 m), rechts Aiguille de la Tête Plate (2944 m)
Aber erst wenn man sich umdreht und über den vorderen Teil des Sees in der anderen Richtung blickt, wird klar, warum die Wanderung zu diesem See so beliebt ist. Denn über dem See erhebt sich auf der anderen Seite des Tals von Chamonix die ganze Gebirgskette der Mont-Blanc-Gruppe.
Ganz links Nordwand der Grandes Jorasses (4208 m), rechts davon Gipfel über dem Mer de Glace, weiter rechts Aiguilles de Chamonix
Bei ruhigem Wasser spiegeln sich die Berge im See.
Spiegelung der wolkenverhangenen Aiguille Verte (4122 m) im Lac Blanc
Auch das weiter südliche Mont-Blanc-Massiv ist über dem See zu sehen, wenn es nicht gerade komplett in Wolken gehüllt ist, sowie die weiter nördlichen Berge über dem Glacier d’Argentière.
Glacier d’Argentière mit Aiguille de Chardonnay (3824 m) und Aiguille d’Argentière (3901 m) in den Wolken, links die Hütten sind das Refuge du Lac Blanc
Die Wolken begannen sich immer weiter zu senken, bis es zu regnen anfing und der Rückweg zur Bergstation La Flégère keine Gelegenheit für ein sehenswertes Foto mehr bot.
Vom nicht enden wollenden Schrumpfen eines Gletschers
Zugegeben, als ich das Mer de Glace, das „Eismeer“, einen der großen Alpengletscher, der von den Gipfelregionen des Mont Blanc bis fast ins Tal von Chamonix hinabfließt, am Ende der Wanderung über den Grand Balcon Nord zum ersten Mal sah, dachte ich enttäuscht: „Was soll das denn sein?“
Mer de Glace vom Wanderweg Grand Balcon Nord aus
Wie eine graue Schotterautobahn, deren Mittelspur halbherzig mit etwas Puderschnee bestreut worden war, schlängelt sich das, was wohl einmal ein mächtiger Gletscher war, ins Tal hinunter. Als ob ein Riese einen großen Eislöffel einmal durch das Eis gezogen hatte, sieht das Tal aus, als wäre es einfach vom Eis geleert worden. Nach einem heißen Sommer sehen Talsperren so aus, wenn sich ihr Wasserspiegel gesenkt hat und plötzlich viele Meter unterhalb der Uferwege liegt.
Die grauen vegetationslosen Schotterhänge sind dabei selten ein schöner Anblick, und hier beim Mer de Glace ist es nicht anders.
Mer de Glace, rechts eine Aussichtsplattform an der Zahnradbahnstation Montenvers
Es muss schnell passiert sein, so schnell, dass die wenn auch hier in der Höhe spärliche, aber dennoch vorhandene Vegetation bisher noch keine Zeit hatte, die freigelegten Geröllhänge zu besiedeln. Die dadurch entstandene recht scharfe Grenze zwischen Grün und Nicht-Grün macht beinahe auf den ersten Blick deutlich, bis zu welcher Höhe der Gletscher bis vor Kurzem noch reichte.
Einschnitt des Mer de Glace talwärts in Richtung Chamonix
Im Vergleich zum ebenfalls offensichtlich schrumpfenden Glacier d’Argentière macht das Mer de Glace hier im unteren Bereich noch einen weitaus bedenklicheren Eindruck.
Das Mer de Glace ist trotzdem auch heute noch der größte Gletscher Frankreichs und der viertgrößte der Alpen. Im engeren Sinn bezeichnet er zwar nur den unteren Teil – den Teil, den man auf den Bildern oben sieht -, aber als Mer de Glace wird im weiteren Sinn auch der nach Südosten abzweigende Glacier de Leschaux, der nach Süden und Südwesten verlaufende Glacier du Tacul, der Glacier du Géant im oberen Bereich direkt unterhalb des Mont-Blanc-Massivs und eine Reihe kleinerer Nebengletscher bezeichnet. Das ganze Gletschersystem hat eine Länge von 12 Kilometern und eine Dicke bis zu 420 Metern.
Als ich über den Grand Balcon Nord das Mer de Glace erreichte, war keine Zeit mehr, mich genauer umzusehen, daher bin ich an einem späteren Tag noch einmal zurückgekehrt. Das Wetter war nicht unbedingt besser, als ich ankam.
Wolken über dem Mer de Glace
Aber es klarte im Laufe des Tages auf, wenn auch die Wolken nicht ganz verschwanden, und in einem seltenen Moment öffnete sich auch der Blick auf die berühmte Westwand der Aiguille du Dru – aufgrund des Doppelgipfels auch Les Drus genannt -, einer 1100 Meter hohen durchgehenden Steilwand, die wegen ihrer großen Schwierigkeit erst 1952 zum ersten Mal durchstiegen wurde. Ein paar Tage zuvor hatte ich die Drus schon von der anderen Seite von den Grands Montets aus gesehen.
Westwand der Aiguille du Dru (Les Drus) (3754 m)
Weit abgeschieden und nur durch eine lange Gletscherwanderung über das Mer de Glace und seine südöstliche Verlängerung, den Glacier de Leschaux, zugänglich, ist von der Bergstation Montenvers auch ein guter Blick auf die Nordwand der Grandes Jorasses auf der Grenze zwischen Frankreich und Italien möglich; mit einer Höhe von etwa 1200 Metern, ewigem Schatten und Vereisung ist sie neben Eiger-Nordwand und Matterhorn-Nordwand eine der drei großen Nordwände der Alpen, die von Bergsteigerlegenden umwoben sind. Vor knapp zwei Monaten wurde hier übrigens ein neuer kaum vorstellbarer Geschwindigkeitsrekord von wenig mehr als 2 Stunden für eine Solo-Durchsteigung der ganzen Wand aufgestellt, für die andere Kletterer 2 oder 3 Tage benötigen.
Nordwand der Grandes Jorasses (4208 m) mit den beiden Gipfeln Pointe Walker und Pointe Whymper
Das Mer de Glace ist leicht mit der Zahnradbahn Montenvers zu erreichen – auch Chemin de fer du Montenvers genannt -, die von Chamonix aus in gut 20 Minuten zur Bergstation an der Gletscherzunge fährt. Diese Zahnradbahn ist schon seit 1909 in Betrieb, nachdem schon früh die bequeme Erreichbarkeit dieses kleinen Berges und die Nähe zum Gletscher diesen Ort beliebt gemacht haben.
Einstmals, Sonntagsausflug auf die Gletscherzunge des Mer de Glace
Nachdem sich der Gletscher schon zurückzuziehen begann, hat man 1960 eine kurze Kabinenseilbahn gebaut, die von der Bahnstation den Steilhang an der Seitenmoräne entlang zur Gletscherzunge führt – oder besser gesagt: Sie führte einmal bis zur Gletscherzunge, denn mittlerweile hat sich diese noch einmal deutlich gesenkt, so dass man von der unteren Seilbahnstation weiter zu Fuß über eine lange Treppe hinabsteigen muss.
Seilbahn von der Bergstation Montenvers hinunter zur Gletscherzunge des Mer de Glace
Diese Treppe muss regelmäßig verlängert werden, da die Dicke der Gletscherzunge Jahr für Jahr abnimmt. Dieses Jahr – 2018 – waren es 500 Stufen, im Jahr davor waren es noch 440 Stufen.
Schon vom oberen Rand des Treppensystems aus sieht man deutlich, dass das scheinbare Schotterbett des Tals in Wirklichkeit nur eine Schicht aus Kieselsteinen ist, unter denen sich noch ein dicker Gletscher verbirgt. Das Geröll der freigelegten Hänge an beiden Seiten des Gletschers rutscht immer wieder talwärts und bedeckt den Gletscher im Laufe der Zeit mit einer Steinschicht.
Treppen von der unteren Station der Seilbahn hinunter zur Gletscherzunge des Mer de Glace
Auch weiter talwärts kann man noch Eis unter dem Geröll erkennen.
Ende der Gletscherzunge des Mer de Glace
Es ist nicht auszumachen, wo der Gletscher unter den Steinen tatsächlich endet, aber es ist etwa zwei Kilometer oberhalb des Talbodens von Chamonix, bis zu dem der Gletscher bei der Siedlung Les Bois früher reichte.
1823 reichte das Mer de Glace bis ins Tal von Chamonix, zwei Kilometer weiter hinunter als heute. Oben rechts die Aiguille du Dru.
Am Beginn der Treppe hinunter zur Gletscherzunge ist ein Plakat angebracht, auf dem die verschiedenen Niveaus des Gletschers über die Jahre gegen ein Foto mit der Bergstation Montenvers im Hintergrund eingezeichnet sind.
Höhenänderung des Mer de Glace zwischen 1825 und 2016
Es wirkt eigentümlich unprofessionell, handgeschrieben, in einem schwer lesbaren Farbdesign, langsam verblassender Schrift und ohne Rahmen an eine Holzwand geschraubt, als ob es ein Einheimischer erstellt hätte, der die Nase voll hatte, den Touristen eine imposanten Gletscher vorzugaukeln und ihnen in einer Nacht- und Nebelaktion die Wahrheit vor Augen führen wollte.
Die Kernaussage des Plakats ist einfach: Die Höhe des Gletschers, der einst fast bis zur Bergstation der Zahnradbahn in 1914 Metern Höhe heranreichte, hat zwischen den Jahren 1825 und 2016 um 270 Meter abgenommen. Für die ersten 135 Meter dieser Schrumpfung brauchte das Klima 170 Jahre, für die zweiten 135 Meter sage und schreibe nur noch 21 Jahre!
Zwei Fotos neben dem Plakat, beide von exakt der gleichen Stelle an der unteren Seilbahnstation aus aufgenommen, vermitteln einen schockierenden Eindruck, was sich in nur 30 Jahren zwischen 1988 und 2018 verändert hat.
Mer de Glace vor 30 Jahren und heute
Natürlich hat man in Chamonix an der Talstation der Montenvers-Bahn kein Interesse daran, den Touristen schon dort anzukündigen, dass sie oben eventuell nicht das sehen werden, was sie erwarten – eine imposante Gletscherwelt aus Schnee und Eis. An der Bergstation ist es nicht mehr zu verheimlichen und man hat vorsichtig aus der Not eine Tugend gemacht, indem auf dem Weg von der Bahnstation bis zur unteren Station der Seilbahn – man kann die Strecke auch auf einem Serpentinenweg zu Fuß absolvieren – und dann auf der langen Treppe hinunter zur Gletscherzunge immer wieder Schilder aufgestellt wird, in welchem Jahr der Gletscher bis zum entsprechenden Punkt reichte. So wird der ganze Weg zu einem sehr plastisch erlebbarem Dokument des Klimawandels und eines Alpengletscherrückzugs, beginnend mit dem Jahr 1820…
Höhe des Mer de Glace im Jahre 1820
…und weiteren Zwischenstationen der Jahre 1920, 1990, 2005 und 2015.
Höhe des Mer de Glace in den Jahren 1920, 1990, 2005, 2015
Auf dem Weg die Treppenstufen nach unten sieht man an vielen Stellen den Felsen zweifelsfrei an, dass hier einmal das Eis eines Gletschers seine wahrscheinlich jahrmillionenlange Schleifarbeit verrichtet hat.
Felsen, die der Gletscher glattgeschliffen hat
Kleine Rillen im Fels weisen darauf hin, dass der Gletscher hier vermutlich einmal lose Kieselsteine über die Felswand geschoben hat. Sie verlaufen alle in Richtung der früheren Gletscherbewegung. Heute spült nur noch Regenwasser über den kahlen Fels, das in kleinen Bächen von den Bergen herunterläuft und in der Sonne für ein glitzerndes Schauspiel sorgt.
Felsen, über die sich der Gletscher einmal wälzte
Der ganze untere Teil des Hangs, über den sich die Treppe hinabwindet, ist einmal vom Gletscher in sanfte Wellenformen geschliffen worden.
Ende der Treppe zur GletscherzungeAm Eingang der Grotte de Glace
Der Hauptgrund, warum man sich eigentlich die Mühe macht, die 500 Treppen hinunterzusteigen, ist die Grotte de Glace, die Eisgrotte, die sich am Ende des Weges befindet.
Die Grotte ist zwar künstlich angelegt, aber sie befindet sich tatsächlich innerhalb des Gletschers, im Unterschied zum „Eispalast“ auf dem Jungfraujoch, der deutlich künstlicher wirkt.
Maschinen vor dem Eingang deuten an, dass man hier regelmäßig nachbessern und die Gänge durch die Höhle vermutlich nachfräsen muss.
Zugangstunnel zur Grotte de Glace
Der obere Rand des Eishöhleneingangs ist mit weißen Tüchern abgedeckt, um die Sonne besser zu reflektieren und den natürlichen Schmelzvorgang zu verlangsamen. Dennoch tropft es im Inneren an allen Ecken und Enden. Aber es ist beeindruckend, man ist tatsächlich im Inneren des Mer de Glace, der auch hier unten unter all dem Geröll noch eine ausreichende Dicke hat, um diese Grotte möglich zu machen.
Natürlich fehlt auch der obligatorische Kitsch nicht: Eisbärskulpturen, vielleicht auch Pinguine, Bänke aus Eis – wer will wie lange darauf sitzen? – Podeste, und eine Bildergalerie, die alle als Hintergrund und Auskleidung für das Familienfoto oder Selfie dienen sollen. Zu lange will man sich nicht aufhalten, denn es ist – wenig überraschend – kalt hier.
Im Inneren der Grotte de Glace
Trotzdem ist es faszinierend, einfach gegen die Eiswände im Inneren zu starren und über die verschiedenen Strukturen und Farbnuancen aus Blau und Türkis zu staunen, die Druck, Bewegung und die Durchmischung von Wasser, Luft und Eis hier gebildet haben. Das Innere eines Gletschers scheint ganz und gar keine homogene Masse aus gefrorenem Wasser zu sein.
Eiswand im Inneren des Mer de Glace aus 30 cm Entfernung, erstarrte Bewegung, kein rauschendes Wasser
Die Ausdehnung des Mer de Glace über die Jahrhunderte ist detailliert untersucht worden und der Gletscher wurde schon früh und sehr oft in Zeichnungen und Gemälden festgehalten.
Zum Beispiel wurde das Mer de Glace mit den Grandes Jorasses im Hintergrund 1824 von Carl Gustav Carus mit einem wogenden Gletscher gemalt, so wie er damals tatsächlich zu sehen war.
Carl Gustav Carus: Das Eismeer bei Chamonix, 1824
Interessanterweise nahm sich Caspar David Friedrich im gleichen Jahr dieses Bild als Vorlage und ließ seine Fantasie etwas spielen, indem er sich vorstellte und auf die Leinwand brachte, wie das Tal wohl aussehen würde, wenn man den Gletscher einfach weglässt.
Caspar David Friedrich: Das Hochgebirge, 1824
Es ist zu befürchten, dass die Wirklichkeit Friedrichs Fantasie in nicht allzu ferner Zukunft einholen könnte.