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Grenada – Grand Etang Nationalpark

Ein Stück Urwald auf Grenada

Als ich mich von der Küste auf den Weg zum Grand Etang Nationalpark auf Grenada machte, verschränkten die Einheimischen im Hotel die Arme vor der Brust und spielten mir ein zitterndes Frösteln vor: „So kalt dort!“

Ich konnte es nicht glauben, liegt doch der Park gerade einmal in der relativ harmlosen Mittelgebirgshöhe von 500 bis 600 Metern. Ja, ein paar Grad kühler als an der Küste Grenadas ist es schon, aber es bleibt immer noch bei gefühlten hochsommerlichen Temperaturen, selbst im karibischen Winter. Es gibt wahrscheinlich doch einfach ein unterschiedliches Temperaturempfinden zwischen Einheimischen und mitteleuropäischen Touristen.

Viel größer als die Temperaturdifferenz zwischen Küste und dem Grand Etang im Inselinneren ist allerdings der Unterschied in der Luftfeuchtigkeit, recht häufig jedenfalls – wenn tropische Regen über den dichten Wäldern niedergehen und bleiche Nebelbänke und dicke Wolken die Berggipfel verhüllen. Dem ist zu verdanken, dass Grenada viel Süßwasser, Flüsse und zahlreiche Wasserfälle hat.

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Am höchsten Punkt der Straße zum Grand Etang Nationalpark

Manchmal ist der Himmel über dem Grand Etang aber auch wolkenlos – wie an dem Tag, als ich dort war.

Die Straße, die von der Hauptstadt St. George’s die Berge ins Landesinnere hinauf- und dann in Richtung Ostküste zu Grenadas zweitgrößtem Ort Grenville wieder hinabführt, ist eine der besser ausgebauten Straßen der ganzen Insel. Das ist aber nur relativ gemeint; frei von teilweise haarsträubenden Schlaglöchern ist auch diese Straße nicht, geschweige denn von engen Kurven und steilen Abschnitten.

Zumindest aber – was auf Grenada nicht selbstverständlich ist – ist der Nationalpark nicht zu übersehen, dessen Besucherzentrum und einige Parkplätze sich direkt am höchsten Punkt der Straße befinden.

Die Frage übrigens, wie man „Grand Etang“ ausspricht, lässt sich anscheinend nicht klar beantworten. Obwohl es eindeutig französisch ist und auch von vielen so ausgesprochen wird, gab es auch manche, welche die englische Aussprache bevorzugten. Ein Einheimischer fasste es so zusammen: Whatever you like!

Obwohl der Himmel strahlend blau war, herrschte am Parkplatz erstaunlich wenig Betrieb. Vielleicht liegt es daran, dass man in der Karibik eben doch Küsten und Strände vorzieht oder weil es nicht viele Wege im Park gibt, die sich bequem und ohne Führer begehen lassen.

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Willkommen im Grand Etang Nationalpark

Vom Parkplatz schickte man mich zunächst zum Besucherzentrum, wo ich mich nach möglichen Wegen erkundigen könne. Man war etwas verblüfft, als ich dort auftauchte; das Zentrum glich gerade einer Baustelle und wurde renoviert. Ob man mich tatsächlich hierher geschickt hätte? Offiziell sei es eigentlich zurzeit geschlossen. Glücklicherweise ist einer der einfachsten Wege vom Besucherzentrum aus zu sehen und mit dem Finger durch die Landschaft leicht erklärt.

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Besucherzentrum des Grand Etang Nationalparks

Vom Hügel, auf dem das Besucherzentrum steht, ist der Grand Etang Lake gut zu sehen, und ein gut ausgeschilderter Weg, der Shoreline Trail, führt in ein bis zwei Stunden um ihn herum.

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Grand Etang Lake, vom Besucherzentrum aus gesehen

Obwohl der See weder besonders groß ist noch wirklich spektakulär aussieht, wird er mit seiner zentralen Lage im Herzen Grenadas doch als so bemerkenswert erachtet, dass er sogar auf dem Wappen Grenadas dargestellt ist, zusammen mit dem umgebenden Urwald, einem Gürteltier und einer Taube. Beiden bin ich nicht begegnet, auch der Monameerkatze nicht, der einzigen Affenart Grenadas, die mit einem Sklaventransport aus Westafrika gebracht wurde und sich seitdem in der Region des Grand Etang Parks verbreitet hat. Glücklicherweise hat Grenada keine giftigen Schlangenarten, so dass es erlaubt ist, zumindest die einfachen Wanderungen auch ohne Führer zu unternehmen.

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Grand Etang Lake in Richtung Nordwesten

Der Grand Etang Lake ist ein Kratersee, und man kann den bewaldeten Kraterrand, der den See umringt, gut erahnen. In einem Reiseführer habe ich gelesen, der See sei „sehr tief“, aber alle anderen Quellen nennen etwa 6 Meter als größte Tiefe, was ich nun nicht als sehr tief bezeichnen würde. Vielleicht meinte man mit „sehr tief“ ja eher „sehr unheimlich“, was schon eher stimmen mag: Die Sichtweite reicht nicht bis zum Grund des Sees, es gibt eine Legende über ein Seeungeheuer und Indizien, dass der See unterirdisch mit einem vor der Nordküste Grenadas gelegenen erloschenen Vulkan verbunden sei, und es ist nicht ganz geklärt, über welche Zuflüsse der See sein Wasser erhält, obwohl es einen eindeutigen Abfluss gibt, der mit einem kleinen Damm, der den Spiegel des Sees um ca. 1,5 Meter anhebt, reguliert wird.

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Grand Etang Lake in Richtung Nordosten

Ob deshalb niemand hier badet, bezweifle ich. Es ist vermutlich einfach verboten, da der See der wichtigste Trinkwasserspeicher Grenadas und somit Wasserschutzgebiet ist. Da der See ringsum von einem breiten Streifen dichten Schilfrohrs umgeben ist, wäre der Zugang zu seiner freien Wasserfläche auch nicht so ganz einfach.

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Beginn des Shoreline Trail

Der Shoreline Trail beginnt direkt am Ufer des Sees, verlässt es aber schnell. Obwohl das Ufer nie weit entfernt ist, kann man den See auf dem Wanderpfad durch die dichte Urwaldvegetation fast nie sehen.

Schon ziemlich zu Beginn des Pfades wird klar, dass es hier durchaus häufig regnet. An manchen Stellen kann man leicht bis zu den Knöcheln im Schlamm versinken, wenn man nicht einen erfinderischen Slalomkurs einschlägt, der die heikelsten Stellen vermeidet. Meine Trekkingschuhe sahen nach der Wanderung reif zur Entsorgung aus, ließen sich aber doch wieder komplett reinigen, und man sagte mir, das bisschen Schlamm sei doch gar nichts; von diesem Weg wären schon manche bis zu den Knien mit Schlamm bedeckt zurückgekehrt.

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Der Pfad windet sich in einem ständigen Auf und Ab und kurvenreich durch den Urwald. Das dichte Blätterdach sorgt für viel Schatten, aber die Sonne, die durch gelegentliche Löcher scheint, wirft immer noch genug Licht auf dem Waldboden und an die Baumstämme, so dass es nicht wirklich dunkel ist.

Bambusgewächse, Mahagonibäume und hohe Palmen lassen erkennen, dass man nicht in einem heimischen Wald unterwegs ist, noch mehr aber die kräftigen Rufe exotischer Vögel, die hin und wieder durch den Wald schallen.

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Auf dem Shoreline Trail

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Zum Glück war die Parkverwaltung so sorgfältig, häufig genug Wegweiser aufzustellen, denn so manches Mal ist es nicht ganz klar, wo der Weg verläuft, und auf Wanderer, die den Weg kennen, kann man nicht unbedingt zählen. Während der ganzen Seeumrundung habe ich keinen einzigen getroffen.

In der Nähe des kleinen Damms, wo der See abfließt, gibt es die einzige Stelle auf dem Pfad, an der man noch einmal Sicht auf den Grand Etang Lake hat.

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Blick auf den Grand Etang Lake vom Shoreline Trail aus

Vom Besucherzentrum aus gibt es einen leichten Weg, der in etwa 10 Minuten auf einen Aussichtspunkt führt, von dem aus deutlich wird, wie weit sich die Waldgebiete auf Grenada bis an die Küsten erstrecken.

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Blick vom Grand Etang zur Ostküste Grenadas

Auf dem Weg über die Hauptstraße vom Grand Etang zur Ostküste gibt es noch einige schöne Aussichtspunkte mit Blick zurück auf den Park und die grünen Berge im Inneren der Insel.

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Blick ins Inselinnere Grenadas

Der Weg zurück führte über die Ost- und Südküste an der Woburn Bay entlang und unter anderem über eine enge Straße, die jemand parkend von einer einspurigen in eine etwa halbspurige Fahrbahn verwandelt hatte. Das unglaubliche Verkehrschaos, das er damit verursachte – für 50 Meter brauchte man dort etwa 20 Minuten – sah er sich gelassen an sein Auto gelehnt und plaudernd mit einer Flasche Carib-Bier an. Man fluchte und hupte wie wild, aber nur, wenn der Vordermann sich nicht waghalsig genug gegen den Gegenverkehr in eine sich für eine Sekunde öffnende Lücke stürzte. Der parkende Plauderer mit kühlem Bier blieb unbehelligt. Haha! Andere Länder, andere Prioritäten.

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Woburn Bay und Brücke nach Hog Island (links)

(Fotos vom Januar 2019)

(Sorry noch einmal für die mit einer versehentlich eingestellten ISO-10000-Empfindlichkeit vermasselte Fotoqualität. Am Abend nach diesem Ausflug hatte ich dann den Fehler bemerkt und korrigiert.)

 

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Grenada – Grand Anse und Südküste

Sanfte Strände und wilde Felsküsten

Einer der ersten Eindrücke, als ich abends auf Grenada ankam und nach oben blickte, war irritierend: Orion stand senkrecht am Himmel. Unser europäisches Wintersternbild, das meistens nur so gerade über dem Horizont dümpelt, an einer völlig falschen Position!

Das war nicht das einzige, was falsch war. Als ich im Mietwagen saß, wurde mir – obwohl ich es natürlich vorher wusste – angesichts des Fahrersitzes auf der rechten Seite erst richtig klar, dass man hier links fährt. Meine bisherige Gelassenheit gegenüber der Herausforderung einer ungewohnten Straßenseite verwandelte sich in eine gewisse Unruhe, insbesondere da es inzwischen völlig dunkel war.

Meine naturgemäß recht langsame Fahrt machte mich dann bald mit der nächsten Eigenart des Autofahrens auf den ostkaribischen Inseln vertraut: Für die Einheimischen ist das wichtigste Bauteil eines Autos die Hupe. Von ihr wird äußerst häufig Gebrauch gemacht und es ist selten klar, zu welchem Zweck, aber was man mit dem Hupen zum Ausdruck bringt, reicht von „Hallo, super Tag heute!“ über „Hallo mein Freund, ich überhole jetzt!“, „Danke fürs Überholenlassen!“ und „Pass auf Du Penner, ich überhole jetzt!“ bis „Gib Gas, Du Penner!“. Ich fürchte, an jenem Abend mit mir auf Grenadas Straßen überwog die letzte Variante, gilt doch die Straße vom und zum Flughafen als die Rennstrecke auf Grenada, auf der vor allem Taxis versuchen, Rekorde zu brechen.

Links fahrend, im Dunkeln, mit hupenden einheimischen Taxis im Nacken versuchte ich also, mein Hotel zu finden. Aus eigener Kraft wäre ich gescheitert, zu groß ist auf Grenada die Abneigung gegen wegweisende Beschilderungen. So war ich denn recht früh gezwungen, die einzig richtige Strategie, auf der Insel einen Weg zu finden, zu lernen: Anhalten und nach dem Weg fragen – am besten häufig und etappenweise. Das funktioniert immer und ist meistens von großer Freundlichkeit, mindestens aber von sachlicher Präzision, also immer von Hilfsbereitschaft, begleitet – vom Grundschüler, der gerade in Uniform aus der Schule kommt, bis zur betagten Dame, die mit Sonnenschirm zur Kirche unterwegs ist. Man kann davon ausgehen, dass in diesem kleinen Land mit seinen gerade einmal 100.000 Einwohnern und seinem dünnen Straßennetz praktisch jeder jeden Winkel der Insel und den Weg zu ihm kennt. So entnervend es an diesem ersten Abend war, den Weg zu finden, hat es mir an den späteren Tagen geradezu Spaß gemacht, ihn nicht zu finden und damit Gelegenheit zu haben, nach ihm zu fragen.

Am ersten Morgen sah die Welt dann ganz anders aus.

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Sonnenaufgang über Grenada

Meine Enttäuschung vom Vorabend, in der mondlosen, schwarzen Nacht keinen Hauch des karibischen Meers zu sehen, war verschwunden.

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Grand Anse Bay

Nicht minder beeindruckend wie das türkisfarbene Meer ist die tropische Vegetation, die sich über der Bucht, der Grand Anse Bay, die Hügel hinauf erstreckt.

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Tropischer Garten über der Grand Anse Bay

Hier wie auch auf allen anderen ostkaribischen Inseln ist die Bougainvillea (die zur Pflanzenfamilie mit dem schönen Namen „Wunderblumengewächse“ gehört) ein fast alltäglicher Anblick und eine der ersten farbenfrohen Strauchblumen, die ins Auge stechen.

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Bougainvillea

Auf der anderen Seite der Bucht liegt Grenadas Hauptstadt St. George’s, vor der fast täglich ein Kreuzfahrtschiff anlegt. Der kleine Hafen bietet kaum mehr Platz als für eines der großen Schiffe.

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Grenadas Hauptstadt St. George’s auf der gegenüberliegenden Seite der Grand Anse Bay

Die Grand Anse Bay im Südwesten Grenadas ist das touristische Zentrum der Insel. Die meisten Hotels befinden sich in der Nähe des etwa drei Kilometer langen hellen Sandstrands, der die Bucht säumt. Die Hotels fügen sich geradezu unauffällig in die Landschaft ein, was vor allem der gesetzlich festgelegten Bauvorschrift zu verdanken ist, dass auf Grenada kein Hotel höher als eine Palme sein darf, was auf maximal ungefähr zwei Stockwerke plus Spitzdach hinausläuft. Der Strand ist über seine ganze Länge gesehen ganz und gar nicht überlaufen, obwohl er als einer der schönsten der ganzen Karibik gilt.

Das gilt nicht ganz für das nördliche in Richtung St. George’s sich erstreckende Drittel. Ob es hier voll ist oder nicht, hängt mehr oder weniger allein davon ab, ob gerade ein Kreuzfahrtschiff vor Anker liegt. In dem Fall entscheidet sich normalerweise ein Teil der Kreuzfahrer dafür, einen Tag am Strand zu verbringen. Die Geschäftstüchtigkeit der Einheimischen läuft dann auf Hochtouren mit aufgestellten Sonnenschirmen, Liegen, einem kontinuierlichen Angebot an Drinks, kleinen Bootsfahrten in die Bucht und Tauch- oder Schnorchelangeboten.

Weiter südlich reißt die Infrastruktur aus Schirm, Liege und Rumpunsch irgendwann ab und es gibt dann viele Stellen, an denen man ein großes Stück Strand beinahe für sich allein hat.

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Grand Anse Beach

Die Luft und das Wasser haben hier immer angenehme Temperaturen, selbst wenn die Wolken mal etwas mehr Schatten werfen.

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Grand Anse Beach

So paradiesisch es heute hier ist, war dieser Strand tatsächlich einmal der Schauplatz von Kämpfen während der amerikanischen Invasion von 1983. Stacheldrähte und Minen haben dem Strandleben für einige Zeit den Garaus gemacht. Davon ist heute nichts mehr zu sehen, und es gibt nur noch sehr wenige offensichtliche Zeugnisse dieses politischen Kapitels Grenadas, das den kleinen Inselstaat für kurze Zeit in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit gerückt hatte. Davon aber mehr in einem späteren Beitrag.

In der Nähe des Grand Anse Beach liegt auch das größte Einkaufszentrum der Insel. Wirklich groß ist es nicht, aber was ihm an Ausdehnung fehlt, macht es durch Flaggen, Banner und eine Fülle an Verbotsschildern wieder wett.

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Auszug aus dem zu beachtenden Regelwerk vor dem Betreten eines Einkaufszentrum

Im Einkaufszentrum liegt auch der Eingang zu einer Bank, der den für das ganze Gebäude geltenden Verboten noch ein paar spezielle für die Bank hinzufügt: Keine Fotos, Sonnenbrille runter, Hut ab! Der Respekt vor allen Staats- und anscheinend auch Finanzinstitutionen wird auf Grenada sehr ernst genommen.

Die Grand Anse Bay liegt recht weit im Süden der Insel, aber noch auf der Westseite, der karibischen Seite, die geschützt vor den Winden des Nordostpassats ist. Das Bild ändert sich deutlich, wenn man die direkte von vielen kleinen Halbinseln und Felsvorsprüngen zerklüftete Südküste der Insel erreicht. Strände kommen hier nur noch in den tief eingeschnittenen Buchten vor. Die dem Wind ausgesetzte Felsküste ist rau und zeigt nur noch eine niedrige aus Gräsern und Sträuchern bestehende Vegetation.

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Südküste Grenadas in Richtung Osten

Das Bild ist auf allen dem offenen Atlantik zugewandten Seiten der ostkaribischen Inseln zu finden, und es gehört zu ihnen gleichermaßen wie Palmen und weiße Sandstrände.

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Südküste Grenadas in Richtung Westen
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Lance aux Epines Lighthouse

Dennoch bieten die vielen Halbinseln und ins Inselinnere eingeschnittenen Buchten an der Süd- und Ostküste Grenadas genug Schutz vor dem Wind, um sie in ideale karibische Badebuchten und Strände zu verwandeln.

Eine der größten Halbinseln an der Südküste ist die Lance aux Epines, an deren äußerster Spitze ein Leuchtturm über den Klippen thront.

Im Inneren der westlich der Halbinsel liegenden Prickly Bay befindet sich der Lance aux Epines Beach, um den sich ein kleineres zweites touristisches Zentrum entwickelt hat, das größenteils von recht exklusiven und teuren Hotels umgeben ist.

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Prickly Bay und Lance aux Epines Beach
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Lance aux Epines Beach

Der Zugang zu dem Strand ist nicht so offensichtlich und man könnte auf den ersten Blick meinen, es handele es sich um private, den Hotels gehörende Strandabschnitte. Glücklicherweise ist das nicht der Fall; die Strände in der ganzen Karibik sind grundsätzlich öffentlich und können nicht privatisiert werden, ganz gleich, wie viele Dollar ein Interessent bieten mag. In den meisten Fällen führt der einfachste Weg zum Strand einfach durch eine Hotelanlage. Vermutlich könnten die Hotels dem Einhalt gebieten, aber sobald man einmal den Strand erreicht hat, ist man auf sicherem öffentlichem Boden und kann ihnen die lange Nase zeigen. Oder man trinkt ein Carib-Bier, einen Rumpunsch oder einen kreativen Kokos-Mango-Ananas-Limetten-Guave-Soursop-Sternfrucht-WasSonstNochGeradeDaIst-Fruchtsaftmix in ihrer Strandbar, um sich für das nächste Mal die freundschaftlichen Beziehungen zu erhalten.

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Blick vom Lance aux Epines Beach auf die Prickly Bay

(Fotos vom Januar 2019)

(PS: Falls die Bilder ab dem Leuchtturm etwas unscharf und verwaschen erscheinen, dann täuscht der Eindruck nicht. Ich habe unbemerkt und versehentlich eine Kameraeinstellung verfummelt und an dem Nachmittag – und leider auch am nächsten Tag – alles mit ISO 10000 fotografiert, was zu einer sehr üblen Körnigkeit und Unschärfe der Fotos führt.)

 

Inselhopping Ostkaribik

Eindrücke aus vier Inselstaaten

„Wieso gerade Ostkaribik?“, wurde ich ein paar Mal gefragt. „Eigentlich wollte ich auf die Seychellen, bin aber ins falsche Flugzeug gestiegen“, war dann meistens meine Antwort.

Stimmt natürlich nicht; angesichts heutiger Sicherheitsvorkehrungen an Flughäfen würde es einige kriminelle Raffinesse erfordern, wollte man erfolgreich ins falsche Flugzeug steigen. Genaugenommen stimmt die Antwort nur zur Hälfte. Es gab tatsächlich einen primären Plan, auf die Seychellen zu reisen, aber diverse Hinweise auf schwüles Klima, mehr Regen und Schwemmen von Seegras in der Winterzeit haben mir den Plan leicht madig gemacht, oder ihn zumindest als suboptimal einstufen lassen. Die Sommermonate gelten gemeinhin als angenehmere Reisezeit für die Seychellen, wie ich dann erfahren haben. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Da ich aber bei einigermaßen tropischen Inseln bleiben wollte, musste eine vergleichbare Alternative her. Der Winter ist die ideale Jahreszeit für die Karibik im Ganzen; es ist dann trockener als in den Sommermonaten und die Bedrohung durch Hurrikans, deren atlantische Brutstätten praktisch direkt vor der Tür liegen, und kleinere Stürme ist deutlich geringer. Von den vielen Optionen, die sich in der Karibik auftun, sind die Inseln der Kleinen Antillen am ehesten für ein Inselhopping, wie ich es auch für die Seychellen vorgesehen hatte, geeignet.

Die Details waren dann mehr eine Frage des Zufalls und insbesondere der Planung der An- und Rückreise und geeigneter Verbindungen zwischen den Inseln. Wenn man nicht gerade mit dem eigenen Boot unterwegs ist, sind Flüge hierbei die einzige einigermaßen flexible Option. Überraschenderweise ist es mit Fährverbindungen zwischen den Inseln erstaunlich schlecht bestellt.

Damit die ganze Reise auch hinreichend kompliziert und mühselig wird, fiel die Wahl also auf vier etwa 13.000 Kilometer von den Seychellen entfernte Inseln, die im südöstlichen Teil der Karibik liegen – Grenada, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, und Barbados.

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Karibik

Diese Inseln gehören zu den sogenannten „Windward Islands“ (etwa Martinique bis Grenada), die zusammen mit den weiter nördlich gelegenen „Leeward Islands“ (etwa Anguilla bis Dominica) wiederum Teil der „Inseln über dem Winde“ sind, die sich von den im Wesentlichen aus Aruba, Bonaire und Curaçao bestehenden „Inseln unter dem Winde“ („Leeward Antilles“) abgrenzen, die sich ein gutes Stück weiter westlich über der Nordküste Venezuelas befinden. Nimmt man noch das am südlichsten gelegene Trinidad und Tobago hinzu, so sind die „Kleinen Antillen“ komplett. Den Rest der Karibik machen die „Großen Antillen“ (mit Kuba, Jamaica, Haiti und der Dominikanischen Republik sowie Puerto Rico), die Bahamas und die Turks- und Caicosinseln aus.

Dieses ganze karibische Inselgebilde nennt man absurderweise auch „Westindische Inseln“ („West Indies“), zum einen, weil Christopher Columbus damals auf der Suche nach dem Westweg nach Indien war und glaubte, Inseln vor der Küste Indiens gefunden zu haben, zum anderen, weil sich die Karibik bald nach ihrer Entdeckung zu einem Handelsarchipel für Europa, insbesondere Großbritannien, entwickelte, der sich in entgegengesetzter Richtung zu den schon früher bekannten Ostindischen Inseln (Indonesien, Philippinen, Malaysia, etc.) befand. Er war sozusagen das geographische Inselspiegelbild, das die imperialistische Weltkarte komplettierte. Es gibt heute noch viele traditionelle Institutionen, z.B. karibische Universitäten, die den Begriff „West Indies“ in sich tragen, aber bei den heutigen Einheimischen ist der Zusatz „Caribbean“ entschieden beliebter, verbindet man doch mit „Westindien“ zu viel koloniale Vergangenheit.

Den Namen der einzelnen Teilregionen der Kleinen Antillen kann man schon entnehmen, dass sich hier viel um den Wind, und zwar vor allem den Nordostpassat dreht.

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Globale Windsysteme, der Nordostpassat in gelb

Diesem ständig wehenden Wind sind die östlichen Inseln der Karibik, die „Inseln über dem Winde“, in besonderem Maße ausgesetzt, allen voran der östlichste Vorposten Barbados, an dessen Nordostspitze dieser Wind und seine Wirkung auf die wilde Brandung gegen die Küste unmittelbar greifbar wird. Der Nordostpassat bringt auch viel über dem Atlantik aufgenommene Feuchtigkeit mit, die im Inneren der Inseln oft für viel Regen und tropische Vegetation sorgt. Für die landwirtschaftliche Produktion ist er ein Segen. Die viel weiter westlich gelegenen „Inseln unter dem Winde“ werden weit mehr von den Passatwinden verschont, sind aber daher auch viel trockener.

Der ewige Nordostpassat hat den Küsten aller Inseln der Kleinen Antillen seinen unverwechselbaren Stempel aufgedrückt; sie haben alle eine windige, raue, oft aus felsigen Klippen bestehende Ostküste, gegen die unentwegt die Brandung rollt und die außerhalb schützender Buchten zum Baden und Tauchen ungeeignet und oft zu gefährlich ist, und eine ruhigere, sanfte, mit Sandstränden gesegnete Westküste, die im Windschatten der Insel liegt. Oft nennt man die Ostküste die atlantische Seite und die Westküste die karibische Seite.

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Grenada

Bei den vier Inseln handelt es sich um vier unabhängige Staaten, was die Komplikation mit sich bringt, dass die teilweise nur 30 Minuten dauernden Flüge zwischen ihnen internationale Flüge sind, die jeweils von einem lästigen Prozess der Immigration, Emigration, Zolldeklaration und Zollkontrolle begleitet sind. Glücklicherweise ist die Gestaltung des Immigrationsformulars überall ähnlich, so dass man schnell Übung im Ausfüllen desselben gewinnt.

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St. Lucia

Grenada, St. Lucia und St. Vincent haben auch die gleiche Währung, den Ostkaribischen Dollar, was die Währungstauscherei deutlich reduziert. Nur Barbados hat mit dem Barbados-Dollar eine eigene Währung, akzeptiert aber, wie auch die anderen drei Inseln, praktisch überall US-Dollar. Die Landeswährungen sind mit einem Festkurs an den US-Dollar gebunden, d.h. der Kurs gegenüber dem US-Dollar schwankt nie, aber gegen den Euro schon, eben im gleichen Maße wie der Kurs zwischen US-Dollar und Euro. Bettler sind finanzwirtschaftlich am besten bewandert und akzeptieren jegliche Währung. Als ich einmal 2 ostkaribische Dollar aus dem Portemonnaie hervorkramte, kam sofort bei einem nur flüchtigen Blick in die Börse der begeisterte Ruf „Give me the 2 Euro coin!“ (was mehr als das dreifache ist, wie der Schalk gewiss wusste)

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St. Vincent and the Grenadines

Historisch haben alle vier Länder eine grob vergleichbare Vergangenheit. Die Inseln wurden vermutlich von Columbus – aus europäischer Sicht – zuerst entdeckt, konnten aber nicht wirklich das Interesse der spanischen Krone wecken. Man war mehr auf das Gold des südamerikanischen Kontinents aus. Deshalb sind die spanischen Einflüsse sehr gering und Spanisch ist trotz der Nähe zu Südamerika auf den Kleinen Antillen eine Fremdsprache, die man evtl. in der Schule, autodidaktisch oder gar nicht lernt. Die Inseln gerieten dann schnell in den Strudel anderer europäischer Seemächte, allen voran Großbritannien, Frankreich und die Niederlande. Auf den vier Inseln, die ich besucht habe, waren es hauptsächlich Großbritannien und Frankreich, die sich über Jahrhunderte um den Besitz gestritten und dort Schlachten ausgefochten haben. Beide haben den Inseln mehr oder weniger in Ortsnamen, Sprache und Gebräuchen ihren Stempel aufgedrückt.

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Barbados

Heute sind die Staaten unabhängig, gehören aber alle zum britischen Commonwealth. Man fährt links und die offizielle Landessprache ist überall englisch, das aber im Alltag unter den Einheimischen durch Patois, einer mit dem Kreolischen verwandten Mischung aus afrikanischen Sprachen, englisch und französisch ergänzt wird – mehr französisch geprägt auf St. Lucia, mit eher englischem Schwerpunkt auf den anderen drei Inseln. War die Ökonomie in der Vergangenheit noch von der Landwirtschaft mit Kaffee, Gewürzen, Zucker und Bananen getrieben, so ist sie heute vom Tourismus dominiert. Die Gäste sind der kolonialen Geschichte entsprechend zum ganz überwiegendem Teil englischer oder amerikanischer Herkunft. Als deutscher Tourist ist man ein wenig ein Exot, insbesondere wenn man eine Unterkunft auf den Inseln hat – aber das macht die Leute oft neugieriger als die viel häufigere Begegnung mit dem allgegenwärtigen Gast aus England. Eine Unterkunft zu haben, ist nicht selbstverständlich, da ein großer Teil aller Besucher heutzutage von Kreuzfahrtschiffen aus über die Inseln herfällt, sie morgens heuschreckenartig aufsucht und abends wieder verlässt. Man ist trotzdem deswegen nicht negativ gestimmt, denn diese Tagesbesucher sind ein ernster Wirtschaftsfaktor, von dem so mancher Einheimische lebt, eher als vom Pauschalresorttouristen, dessen Geld in die Taschen großer Hotels und Hotelketten fließt, die sich in ausländischer, meistens amerikanischer, Hand befinden.

Geht man durch die Ortschaften und Dörfer auf den Inseln, so mag man sich leicht inmitten einer afrikanischen Bevölkerung wiederfinden. Das ist nicht nur ein Vergleich, tatsächlich sind die Menschen zu etwa 90% oder mehr ihrer Herkunft vor Generationen nach Afrikaner. Zurückzuführen ist das auf das dunkelste Kapitel der an sich schon dunklen Kolonialgeschichte, den Sklavenhandel, der ein Teil des sogenannten Atlantischen Dreieckshandels war.

AtlantischerDreieckshandel
Quelle: Aus Politik und Zeitgeschichte „Sklaverei“, www.unesco.org „The Slave Route“, Lizenz: Creative Commons by-nc-nd/3.0/de, Bundeszentrale für politische Bildung, 2016, www.bpb.de

Dabei wurden Sklaven von den westafrikanischen Kolonialgebieten in die Karibik und nach Nordamerika verschleppt, dort zur Arbeit auf den Feldern gezwungen, die Früchte ihrer Arbeit wurden ihnen weggenommen und nach Europa verschifft, wo sie verkauft und in andere Waren umgewandelt wurden. Diese Produkte gingen wiederum in die westafrikanischen Kolonien zum Ankauf neuer Sklaven – und der Kreislauf begann von Neuem. (Der von Ost nach West wehende Passat, die nördlicheren von West nach Ost gerichteten Winde und der Golfstrom waren dabei übrigens ideale Unterstützer für diesen Kreislauf der Segelschiffe und machten den Transport schnell und relativ einfach.) Der Brutalität auf den Transportschiffen und den Härten der Feldarbeit sind Zig-Millionen zum Opfer gefallen.

Häufig fallen übrigens auch Menschen anscheinend indischer Herkunft auf den Inseln auf. Deren Vorfahren wurden nach dem Verbot der Sklaverei Mitte des 19. Jahrhunderts als Arbeiter auf den Plantagen angeheuert und haben sich dort für immer niedergelassen.

So befremdend das Gefühl von Nationalstolz für mich ist, kann man vielleicht aufgrund dieser Geschichte verstehen, warum man es mit der Unabhängigkeit, der eigenen selbstbestimmten Nation und ihren rechtlichen Spielregeln in diesen Kleinstaaten so ernst nimmt. Die Immigatrionsbeamtin auf Grenada hat mit finsterster Miene und so spannungsaufbauender Langsamkeit alle Details meines Reisepasses studiert, bevor sie ihn mit all ihrem amtlichen Gewicht mit den notwendigen Einreisestempeln versehen hat, dass ich beinahe schlottrige Knie bekam – ich musste erst einmal prüfen, ob es nicht ein „Immigration Rejected!“-Stempel war -, und dann setzte der Zollbeamte mit einem Kreuzverhör, bei dem ich die ganze Zeit das Gefühl hatte, er wolle mich in Widersprüche verwickeln, noch einen drauf. Alle Achtung! Ein Wort wie „Bananenrepublik“ würde ich hier auf keinen Fall über die Lippen zu bringen wagen!

Ja, Grenada war der Startpunkt der Reise, danach folgte St. Lucia, dann Bequia, eine Insel, die zu St. Vincent und den Grenadinen gehört, und zum Abschluss Barbados.

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Reiseroute zwischen den Inseln

Auf den Inseln hatte ich teilweise mehrere Unterkünfte, acht insgesamt in zweieinhalb Wochen, zwischen denen es größtenteils mit einem Mietwagen hin- und herging, manchmal mit dem Taxi. Die Verbindung zwischen der Hauptinsel von St. Vincent und Bequia ist eine etwa einstündige Fährüberfahrt. Die Flugverbindungslücke auf St. Lucia erklärt sich dadurch, dass die Insel zwei Flughäfen hat und ich sie auf dem südlichen Flughafen betreten und auf dem nördlichen wieder verlassen habe.

Eine Menge Fotos sind entstanden, aber davon dann mehr in den folgenden Blogposts.