Von Zermatt und den umliegenden Hängen aus gesehen ist das Matterhorn ein „Morgen-Berg“. Darum machen sich viele früh am Morgen auf den Weg, den perfekten Fotospot für ein morgendliches Alpenglühen aufzusuchen. Der Berg ist das erste Objekt, das nach Sonnenaufgang von der Sonne beschienen wird. Danach dauert es noch Stunden, bis das Sonnenlicht langsam das südliche Talende heruntergestiegen ist und die Schatten auch im Ort verdrängt hat.

Während die Licht- und Schattengrenze sich immer weiter talwärts verschiebt, ändern sich auch die Lichtverhältnisse und das Farbspiel auf den Felswänden des Matterhorns. Die Nordwand, die den Rest des Tages im Schatten liegt, steht am frühen Morgen noch in vollem Sonnenlicht – zumindest im Sommer.

Eigentlich bietet es sich an, die Fahrt auf das Klein Matterhorn und das „Glacier Paradise“ direkt an die Fahrt zum Schwarzsee und Trockenen Steg anzuschließen, aber tags zuvor war es in der Höhe zu bewölkt als dass es viel Sinn gemacht hätte.

Mit einem Mehrtagespass für sämtliche Zermatter Bergbahnen ist es aber kein Problem, die Fahrt zum Trockenen Steg am nächsten Tag noch einmal zu wiederholen und dann von dort die Fahrt fortzusetzen. Es ging auch diesmal wieder zunächst über die drei Abschnitte der Gondelbahn „Matterhorn Express“.

Ohne einen Zwischenstopp am Schwarzsee wird die ganze Strecke mit einer durchfahrenden Gondel in nur gut 20 Minuten absolviert, und am Ende befindet man sich in 2939 Metern Höhe etwa 1300 Meter über Zermatt.

Hier am Trockenen Steg ist aber noch nicht der höchste mit einer Seilbahn erreichbare Punkt von Zermatt. Tatsächlich geht es noch weitere etwa 900 Meter höher auf das Klein Matterhorn, das seinen Namen offensichtlich der entfernt an die Pyramide des Matterhorns erinnernden Form verdankt.

Für die Strecke gibt es sogar zwei Seilbahnen: Eine schon Ende der Siebzigerjahre gebaute Luftseilbahn und eine ganz neue 3S-Bahn (3-Seil-Umlaufbahn), die erst 2018 in Betrieb genommen wurde. Diese Bahn hat mehrere gleichzeitig laufende recht große Kabinen, in der knapp 30 Personen auf komfortablen ledergepolsterten Bänken Platz haben.

Aus der Kabine hat man einen großartigen Blick auf den Gornergletscher und den Grenzgletscher, die vor dem Sommer 2019 noch zusammengeflossen sind, jetzt aber ihre Verbindung aufgelöst haben, nachdem der Gornergletscher im Laufe der Jahre und Jahrzehnte immer mehr geschmolzen ist.

Links vom Gletscher liegt der Gornergrat, von dem aus ein Weg hinab zum Gletscher führt, der ihn am unteren Ende überquert und dann hinauf zur Monte-Rosa-Hütte führt, die Ausgangspunkt für viele Hochtouren ins Monte-Rosa-Massiv ist.

Spektakulär ist auch die Überquerung des Theodulgletschers mit der Seilbahn.

Die Seilbahnstrecke verläuft einmal in der Breite über den Gletscher, bevor sie das letzte Stück steil hinauf zur Bergstation am Klein Matterhorn nimmt.
Der Theodulgletscher ist eher einer der kleineren Gletscher der Region und doch werden einem aus dieser Nähe die Dimensionen dieser Kolosse aus Eis und Schnee erst richtig bewusst.
Der letzte Abschnitt führt fast mitten durch einen steilen Eisbruch auf das Klein Matterhorn.
Mit der Aussichtsplattform, die über einen Aufzug oder eine Treppe von der Bergstation aus erreicht werden kann, ist sie mit 3883 Metern die höchste Bergbahnstation Europas, etwa 40 Meter höher als die Station auf der Aiguille du Midi im Mont-Blanc-Massiv.
Es wird gesagt, dass empfindliche Personen durch die schnelle Fahrt nach oben in dieser Höhe schon mit Symptomen der Höhenkrankheit wie zum Beispiel heftigen Kopfschmerzen rechnen müssen.
Glücklicherweise blieb ich verschont und konnte die Aussicht genießen, soweit Kälte und starker Wind, die hier auch im Sommer normal sind, das zuließen.

Der nächste Nachbar des Klein Matterhorns ist das zum Greifen nahe Breithorn. Der Berg gilt als der am leichtesten zu besteigende Viertausender der Alpen, und man sieht die Bergsteiger gemütlich in aufgereihten Ameisenkolonnen über die Schneekappe auf den Gipfel wandern.
Etwas respektlos heißen bei den Zermatter Bergführern Hochtouranfänger, für die alle anderen Touren zu bedenklich sind, „Breithorn-Leute“.

Südlich vom Klein Matterhorn erstreckt sich ein großes nur leicht hügeliges Plateau, das Breithornplateau, das Teil des Zermatter Sommerskigebiets „Matterhorn Glacier Paradise“ ist, des größten seiner Art in Europa. Am Südende liegt mit dem Gobba di Rollin direkt auf der Grenze zwischen der Schweiz und Italien der höchste Punkt eines europäischen Skigebiet. Die Umgebung des flachen Gipfels ist auch das Quellgebiet des Theodulgletschers.

Westlich vom Klein Matterhorn befindet sich der Theodulpass, der das Schweizer Wallis mit dem Aostatal in Italien verbindet. Der Pass liegt auf dem Alpenhauptkamm in einer Höhe von 3295 Metern, ist auf der Schweizer Seite vom vorbeifließenden Theodulgletscher begrenzt und kann nur zu Fuß überquert werden.
Tatsächlich ist der Theodulpass einer der ältesten genutzten Pässe der Alpen. Man hat hier sogar Artefakte aus der Steinzeit, etwa um 4000 v. Chr., gefunden, die darauf hindeuten, dass der Pass schon zu dieser frühen Zeit überquert wurde. Weitere Funde aus der Römerzeit wurden gemacht und es gibt viele mittelalterliche Belege, dass der Pass über Jahrhunderte eine wichtige wirtschaftliche Bedeutung hatte. Nur heute nicht mehr, wo er nur noch von Wanderern und Skifahrern für eine rasante Abfahrt genutzt wird und Straßenverbindungen über niedriger gelegene Pässe ihn als Transportweg obsolet gemacht haben.

Von der stürmischen Aussichtsplattform aus hat man natürlich einen fantastischen Rundblick, der weit in die italienischen und französischen Alpen und ins Berner Oberland reicht.


Man sagt in Zermatt, dass das hiesige Wetter aus Italien käme, sowohl das gute als auch das schlechte Wetter. An diesem Tag war gut zu sehen, wie tatsächlich massige Quellwolken langsam von der italienischen Seite aufsteigen und sich über den Alpenkamm auf die Schweizer Seite wälzen.
Das heißt auch gleichzeitig, dass an einem Schlechtwettertag in Zermatt eine Flucht nach Italien in der Hoffnung auf Sonne in der Regel nicht funktioniert. Das Wetter ist dann auf der italienischen Seite meistens nicht besser.
Von der Bergstation kann etwa 15 Meter unter das Eis des Theodulgletschers abgestiegen werden, wo man in den „Gletscher-Palast“ gelangt.

Der Palast ist mit seinen Spalten im Inneren des Gletschers und seinen künstlichen Eisskulpturen ähnlich eindrucksvoll und kitschig zugleich wie seine Pendents auf dem Jungfraujoch in den Berner Alpen und unter dem Mer de Glace am Mont Blanc.

Wenigstens hat man sich mit Skulpturen von Greifvögeln, Rentieren und Wölfen statt von Pinguinen und Eisbären eher auf die heimische – oder zumindest ehemalig heimische – Fauna konzentriert.


Am faszinierendsten ist es allerdings, die natürliche Gestalt und die vielfältigen Formen des Eises eines Gletschers in seinem Inneren aus nächster Nähe zu sehen.
(Fotos vom August 2019)