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Barbados – An einem Tag

Einmal in den Inselnorden und zurück

Der Wechsel von St. Vincent nach Barbados ist ein Kontrastprogramm. Es ist ein kurzer Flug von weniger als einer Stunde, aber die Betriebsamkeit an den beiden Flughäfen könnte unterschiedlicher nicht sein. Obwohl die beiden Inseln eine ähnliche Größe haben, hat Barbados einen großen Flughafen, der aus einigen Ländern Europas und aus den USA und Kanada mehrfach pro Woche direkt angeflogen wird, aus London sogar täglich.

Der Eindruck einer weit geschäftigeren Insel setzte sich dann bei der Fahrt mit dem Mietwagen zum Hotel fort. Eine vierspurige, autobahnähnliche Straße führt vom Flughafen in die Hauptstadt Bridgetown und in die Orte südlich der Stadt. Die auf Grenada, St. Lucia und Bequia gut funktionierende Praxis, beim Suchen des richtigen Weges einfach mehr oder weniger mitten auf der Straße anzuhalten und den Nächstbesten zu fragen, war hier nicht mehr so einfach möglich, zu dicht ist der Autoverkehr dafür.

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Dover Beach im Süden von Barbados

Die Tatsache, dass ich mich dann auch noch im Dunkeln verfahren hatte, machte die Fahrt noch schwieriger, und ich war heilfroh, als ich endlich ankam und das Auto abstellen konnte. Am nächsten Morgen war der Stress angesichts der Aussicht von der kleinen Frühstücksterrasse verflogen.

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Dover Beach

Barbados, das seiner ausgeprägten britischen kolonialen Traditionen wegen manchmal „Klein-England“ genannt wird, aber heute zunehmend unter amerikanischem Einfluss steht, ist ökonomisch und touristisch deutlich weiter entwickelt als die anderen drei Inseln, die ich zuvor besucht hatte. Das betrifft die Fülle an Hotels, Ferienbungalows und anderen Unterkünften, die sich dicht an dicht die ganze Süd- und Westküste aneinanderreihen, Restaurants und Bars aller Art, das Nachtleben, ein sehr gut ausgebautes Busverkehrsnetz, und mehr.

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Strand an der Westküste zwischen Holetown und Speightstown in Richtung Norden

Das alles kommt nicht ohne seinen Preis: Obwohl es nirgendwo in der Ostkaribik günstig ist, ist Barbados noch einmal eine Stufe teurer als die anderen Inseln. Angesichts der Hoteldichte und der Auslastung der Restaurants ist es offensichtlich, dass man sich die hohen Preise erlauben kann. Der Gast kommt nach Barbados – der bequemen Infrastruktur und zuallererst und vor allem der Strände wegen. Denn Hand aufs Herz, die Strände und die karibische See vor Barbados‘ Küste laufen den anderen Inseln eindeutig den Rang ab.

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Der gleiche Strand in Richtung Süden

Wie eine Perlenkette reiht sich ein schöner Strand nach dem anderen die Süd- und vor allem die Westküste entlang, die ihres grün-silbrigen Wassers, und wohl auch der Preise ihrer Hotels wegen die „Platinküste“ genannt wird. Fast alle Hotels sind hier angesiedelt. Es gibt zwar hier und da nicht minder schöne Strände auf den anderen Inseln – wie zum Beispiel den Grand Anse Beach auf Grenada – aber auf Barbados hat man zehn davon und die Qual der Wahl.

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Strand in Speightstown

Man muss nur wissen, wie man zu ihnen kommt. Wie überall in der Karibik steht die Benutzung eines Strandes jedem frei; kein Hotel kann einen Strand als seinen eigenen beanspruchen. Aber faktisch ist die Küstenlinie so dicht bebaut, dass man oft nicht weiß, wie man an die Strände eigentlich herankommt, wenn man nicht gerade Gast eines der Strandhotels ist. Im Zweifelsfall gibt es nur den Seeweg oder einen längeren Strandspaziergang, der einen zum Strand seiner Wahl führt.

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In Speightstown

Im Unterschied zu Grenada, St. Lucia und St. Vincent sieht man auf Barbados kaum Geländefahrzeuge, denn die Topographie des Landes unterscheidet sich deutlich von der der anderen Inseln. Die Insel ist nicht vulkanischen Ursprungs, sondern stattdessen durch die Aufwölbung von Sedimenten entstanden, die sich vom Zusammentreffen zweier Erdplatten gehoben haben. Die Sedimente bestehen zu einem großen Teil aus ehemaligen Korallen und Korallenriffen. Die höchste Erhebung von Barbados ist nur 340 Meter hoch, und die Geographie ist mehr von Flachland und gemächlich ansteigenden Hügeln im Inneren der Insel als von schroffen vulkanischen Bergen geprägt, wie es zum Beispiel auf St. Vincent und St. Lucia der Fall ist.

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An der Nordspitze von Barbados

Barbados ist von allen karibischen Inseln die östlichste und damit diejenige, die am weitesten draußen im offenen Atlantik liegt. Nirgendwo sonst auf den ostkaribischen Inseln ist der Kontrast zwischen der der karibischen See zugewandten Westküste und der atlantischen Ostküste so ausgeprägt wie auf Barbados. Traumstrände in einer ruhigen türkis-blauen Badewanne auf der einen Seite, Klippen und eine ewig stürmische und raue dunkelblaue See, als wäre man im Norden Schottlands, auf der anderen Seite.

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Insbesondere die Nordostspitze von Barbados sieht aus wie eine felsige Mondlandschaft. Keine Palme und kein Strauch hält sich hier im permanenten Wind des Nordostpassats. Schwimmen an den Klippen der Küstenlinie wäre Selbstmord, obwohl es nur wenige Kilometer vom türkis-blauen Meer der Karibikküste entfernt ist.

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Eine besondere Attraktion an der Nordküste von Barbados ist die Animal Flower Cave, eine in Hunderttausenden von Jahren geformte Höhle im Gestein der Klippen.

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Zugang zur Animal Flower Cave

Eine aus Korallensedimenten geformte Treppe führt vom Plateau der äußersten Klippe im Norden etwa 10 Meter tief in den Fels.

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Ende der Zugangstreppe in der Höhle

Auch der Boden und die Wände sind aus Korallengestein aus zwei verschiedenen Zeitaltern gebildet, wobei der Boden mit einem Alter von fast einer halben Million Jahre der ältere Teil ist. Ursprünglich lag die Höhle unter der Wasseroberfläche und ist dort entstanden, aber durch die immer noch anhaltenden Prozesse der Anhebung von ganz Barbados wurde sie langsam aus dem Wasser gehoben und befindet sich jetzt vielleicht 10 oder 20 Meter über dem Wasserspiegel des Atlantik.

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In der Animal Flower Cave

Am Ende der Treppe, wenn das Innere der Höhle erreicht ist, ist es keinesfalls dunkel. Denn die Höhle ist mit mehreren Löchern, die Licht hinein lassen und eine spektakuläre Aussicht über das Meer bieten, in Richtung Atlantik offen.

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Manchmal wird die Höhle bei schwerer See durch diese Öffnungen überflutet und der Treppendurchgang nach oben wirkt wie das Luftloch eines Wals, durch welches das Wasser mit dem Wellengang in einer Fontäne nach oben gepresst wird.

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In einem Höhlenteil ist ein kleiner See vor einer der Öffnungen nach außen. Er sieht sehr flach aus, aber man sagt, das klare Wasser und die Spiegelungen darin täuschen eine geringe Tiefe nur vor und tatsächlich ist der See tief genug, um darin zu schwimmen.

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Animal Flower ist ein auf Barbados gebräuchlicher Name für Seeanemonen, die man als recht kleine Exemplare tatsächlich durch das klare Wasser auf dem Boden der Tümpel sehen kann. Seeanemonen sehen wie Blumen aus, sind aber Tiere, die sich am Fels festheften und nur manchmal bewegen. Viele von ihnen haben Nesseln, mit deren Gift sie neugierige vorbeischwimmende Fische lähmen können.

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Auf dem Boden der Höhle zu gehen, ist mit häufigem Stolpern verbunden, da die ursprünglich wohl einmal glatte Sedimentgesteinoberfläche im Laufe der Jahrtausende durch lose Korallenbrocken und die Bewegung des Meeres in eine grobe wellenförmige Oberfläche geschliffen wurde.

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Es war Zeit für die Rückfahrt. Die Animal Flower Cave ist im äußersten Norden der Insel, der Flughafen, zu dem ich nun für den Heimflug zurückkehren musste, ist ganz im Süden.

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Aussicht über die Ostküste von Barbados (in der Nähe der St. Nicholas Abbey)

Da die Hinfahrt zur Nordspitze an der Westküste entlang verlief, nahm ich diesmal den Weg zurück über die Ostküste – jedenfalls die nördliche Hälfte der Ostküste. Für den zweiten Teil musste ich mich beeilen und einen kürzeren Weg durch die Inselmitte und schließlich den „Highway“ zum Flughafen nehmen.

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Bei Bathseba, einem der wenigen und dem größten Ort an der Ostküste, passiert man ein paar Felsformationen, die einen der besten Surf-Spots der Karibik, manche sagen sogar weltweit, markieren: „The Soup Bowl“. Die Wellen rollen hier oft weitaus gewaltiger über die 3000 hinter ihnen liegenden Kilometer offenen Atlantiks herein als es an diesem Tag der Fall war.

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Kalksteinfelsen bei Bathseba am Surf-Spot „The Soup Bowl“

Das war mein letzter Stopp auf Barbados und der ganzen Karibikreise vor der Rückkehr zum Flughafen und dem Heimflug am späteren Abend. An einem Tag vom Süden in den Norden und wieder vom Norden in den Süden zu fahren und dabei möglichst viel zu sehen, vermittelt zwar einen Eindruck, wird aber der Insel nicht gerecht. Es gibt dort mehr zu sehen. Aber es ist ein guter Weg, die Zeit vom Rauswurf aus dem Hotel bis zu einem Abendflug zu überbrücken.

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Einzelner Kalksteinfindling an der Ostküste von Barbados. Oben eine Bank mit Aussicht in Richtung Europa… ungefähr.

(Fotos vom Februar 2019)

 

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Bequia – Kreuz und Quer über die Insel

Strände, Schildkröten und viele Grenadinen

Port Elizabeth und die Admiralty Bay sind sicherlich der Mittelpunkt von Bequia. Aber es gibt überall verstreut weitere Sehenswürdigkeiten und Strände, die einen Besuch wert sind. Da die Insel nicht groß ist, hat man in zwei, drei Tagen alles gesehen.

Von Port Elizabeth aus gibt es im Wesentlichen zwei Richtungen, in die man die Insel erforschen kann: Nordosten und Südwesten. In beiden Richtungen gelangt man an eines der von Port Elizabeth ungefähr gleich weit entfernten Enden Bequia’s.

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Atlantische Ostküste Bequia’s. Die beiden unbewohnten Grenadinen Battowia und Baliceaux im Hintergrund.

Eine Straße in nordöstliche Richtung führt einmal quer von der Karibikseite über die Insel zur Atlantikseite.

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Spring Bay und Park Bay an der Ostküste

Eine Reihe von kleinen Buchten – Spring Bay, Industry Bay, Park Bay und weitere – säumt den weiteren Küstenverlauf der Straße.

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Industry Bay

Die Ostküste ist zum Teil felsig, und selbst wenn Sandstrände vorhanden sind, sind sie mit einer teilweise dicken Schicht aus Seegras bedeckt, ein Phänomen, das für die meisten Atlantikküsten in der Ostkaribik kennzeichnend ist. Manchmal sieht man auf dem Meer dicke Teppiche aus Seegras schwimmen. Der häufig raue Passatwind macht das Baden an den offenen Küstenabschnitten zusätzlich schwierig bis unmöglich.

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Park Bay. Links am Rand das Old Hegg Turtle Sanctuary.

Fast am Nordostende von Bequia gelangt man zum Old Hegg Turtle Sanctuary, einer Art Tierheim zum Schutz und zur Aufzucht von Meeresschildkröten.

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Auf dem Gelände des Old Hegg Turtle Sanctuary

Es wird privat betrieben und nur von Spenden und den Eintrittsgeldern finanziert, die man als Besucher der Station bezahlt. Ein ehemaliger einheimischer Fischer und Taucher leitet den Betrieb und führt auch selbst die Führungen durch, in denen er von den vom Aussterben bedrohten Schildkröten und der Geschichte und dem Zweck des Tierheims erzählt.

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Echte Karettschildkröte (Hawksbill Turtle)

Im Wesentlichen besteht die Station aus einer Halle, in der sich mehrere Wassertanks befinden, in denen Schildkröten, getrennt nach Altersgruppen, für mehrere Jahre leben. Es geht darum, ihnen für die erste Zeit nach dem Schlüpfen aus den am Strand abgelegten Eiern eine sichere Umgebung zur Verfügung zu stellen, bevor sie nach ca. vier Jahren ins offene Meer entlassen werden. Die ersten Wochen und Monaten sind für Meeresschildkröten die gefährlichsten, und um ihren Fortbestand zu sichern, muss vor allem diese Zeit wohlbehalten überbrückt werden.

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Die Schildkrötenart, die hier aufgezogen wird, ist die Echte Karettschildkröte. Im Englischen heißt sie Hawksbill Turtle, da ihr Kopf tatsächlich ein wenig an den Schnabel eines Greifvogels erinnert. Der Panzer der Karettschildkröte liefert das wertvolle Schildpatt, das zur Herstellung von Schmuck verwendet wird und der Grund dafür ist, warum die Schildkröten über Jahrhunderte gejagt wurden. Dadurch und durch die Verbauung von Küstenabschnitten, welche die Schildkröten zur Eiablage nutzen, ist die Karettschildkröte vom Aussterben bedroht und steht unter strengem Artenschutz. Der Handel mit Schildpatt und die Einfuhr zum Beispiel auch nach Deutschland ist heute strikt verboten.

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Die Karettschildkröte wird 30 bis 40 Jahre alt und ist auf der ganzen Welt in den Korallenriffen, in Mangrovensümpfen und Flussmündungen sowie im offenen Meer der Tropenregionen verbreitet. Manche Strände der Karibik gehören zu ihren wichtigsten Eiablageplätzen.

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Friendship Bay mit Petit Nevis und Isle A Quatre

Ein zweites kleineres touristisches Zentrum befindet sich an der Friendship Bay an der Atlantikküste Bequia’s südlich der Admiralty Bay.

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Friendship Bay Beach

Die Bucht ist in Richtung Osten von einer großen Landzunge umfasst, so dass der Atlantik hier seine normalerweise deutlich spürbare Wucht nicht entfalten kann.

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Friendship Bay

Der Mount Pleasant ist mit 268 Metern die höchste Erhebung auf Bequia. Er bietet die beste Aussicht über die Insel und vor allem die Buchten und die benachbarten Inseln von Bequia.

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Blick auf Mustique im Hintergrund

Vor allem in südlicher Richtung hat man eine großartige Sicht über die Grenadinen, ein Paradies für Segler und Taucher.

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Aussicht vom Mount Pleasant auf die Inseln der Grenadinen. Petit Nevis und Isle A Quatre im Vordergrund, Mustique im Hintergrund.

Die meisten dieser kleinen Inseln sind unbewohnt, so auch die unmittelbaren Nachbarn Petit Nevis und Isle A Quatre und die etwas weiter entfernten Inseln Battowia und Baliceaux.

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Aussicht vom Mount Pleasant auf Battowia und Baliceaux

Manche dieser kleinen Eilande sind im Privatbesitz und stehen teilweise zum Verkauf an. Baliceaux ist zum Beispiel für 30 Millionen Euro zu haben.

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Blick auf Friendship, Petit Nevis und Isle A Quatre

Selbst Mustique, eine bewohnte und mit vielen Luxusvillen bebaute Grenadineninsel wird angeblich verkauft. Sie wurde Ende der 50-er Jahre als völlig unentwickelte Insel für einen Schnäppchenpreis von 45.000 Pfund privat erworben, und wandelte sich dann zu einer äußerst luxuriösen Jetset-Insel, die von vielen Prominenten und Künstlern besucht wird – von Mick Jagger über David Bowie bis zu Prinzessin Margaret. Villen auf der Insel sind heute für weniger als 10.000 €  pro Woche kaum zu mieten und viele sind erheblich teurer. Den Preis für den Kauf so einer Insel kann man kaum erahnen.

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Battowia und Baliceaux

Von der Friendship Bay verläuft die Straße zur Südwestspitze Bequia’s. Sie führt vorbei am Flughafen und endet an der Adams Bay, an der sich ein Hotel mit einer Bar befindet, die ein Stück in den Atlantik hinein gebaut ist und eine schöne Aussicht über die Bucht bietet.

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Adams Bay

Ein kleiner Bootsanleger neben der Bar ermöglicht Ausflüge in die Inselwelt der Grenadinen oder auch Pendelfahrten nach Port Elizabeth.

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Adams Bay Beach am Südwestende von Bequia

Am nächsten Tag ging es auf dem gleichen Weg via Fähre von Port Elizabeth zurück nach Kingstown auf St. Vincent und von dort mit dem Taxi zum internationalen Flughafen – einem recht neuen und modernen Flughafen, der sich den Luxus leistet, etwa acht däumchendrehende Beamte an der Sicherheitskontrolle für ca. einen Fluggast pro Stunde zu beschäftigen. Auf der Insel, die das nächste Ziel der Ostkaribik-Reise war, sah das ganz anders aus.

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Blick über die Adams Bay nach Petit Nevis und Isle A Quatre

(Fotos vom Februar 2019)

 

Bequia – Port Elizabeth und Admiralty Bay

St. Vincent und eine Grenadine

Wie auch das nördlich gelegene St. Lucia und das südliche Grenada ist St. Vincent and the Grenadines ein unabhängiger karibischer Kleinstaat. Er gehört wie die beiden Nachbarn zum britischen Commonwealth, hat Englisch als offizielle Landessprache und benutzt als Währung ebenfalls den Ostkaribischen Dollar. Mit ca. 120.000 Einwohnern hat St. Vincent eine nur wenig größere Bevölkerungszahl als Grenada und eine etwas kleinere als St. Lucia. Auch die Landesfläche ist vergleichbar mit den beiden Nachbarstaaten und setzt sich aus der Hauptinsel St. Vincent und 32 kleineren, teilweise bewohnten Inseln, den Grenadinen, zusammen. Ein kleiner südlicher Teil der Grenadinen gehört zu Grenada.

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Hafen von St. Vincent’s Hauptstadt Kingstown

Die Geschichte St. Vincent’s ist wie bei allen ostkaribischen Staaten vom Kolonialismus geprägt. Die ursprüngliche Bevölkerung, die Arawak und später die Kariben, wurde im 17. Jahrhundert von den sich um die Insel streitenden Franzosen und Briten verdrängt, nachdem sie Christoph Kolumbus 1498 entdeckt und nach dem Heiligen Vinzenz von Valencia benannt hatte, der am Tag der Entdeckung Namenstag hatte.

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Die Ursprünge der heutigen Bevölkerung liegen wie auf allen ostkaribischen Inseln im transatlantischen Sklavenhandel, der Sklaven aus Afrika auf die Zuckerrohrplantagen der Inseln zur Zwangsarbeit gebracht hatte. Nach der Befreiung der Sklaven sind diese auf den Inseln geblieben und stellen heute den größten Teil der Bevölkerung St. Vincent’s. Hinzu kommen spätere Arbeiter aus Indien und ein weißer Anteil aus den kolonialen Mutterländern, hauptsächlich aus Großbritannien.

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Kingstown an der Südküste von St. Vincent’s Hauptinsel

Nach St. Vincent gelangt man von den Nachbarstaaten aus nur schwer mit der Fähre, obwohl es in nur ca. 40-50 Kilometern Entfernung von St. Lucia und Grenada liegt. Es gibt keine regulären Fährverbindungen, so dass ein innerkaribischer Flug die bessere und oft die einzige Möglichkeit ist. Der internationale Flughafen St. Vincent’s liegt an der Ostküste und man gelangt von dort in etwa 45 Minuten mit dem Bus oder Taxi in die Hauptstadt Kingstown.

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Fähreinfahrt nach Port Elizabeth auf Bequia

Kingstown liegt im dichter besiedelten Süden der Hauptinsel St. Vincent. Der Norden wird vom noch aktiven Vulkan Soufrière geprägt, der mit über 1.200 Metern Höhe der höchste Berg St. Vincent’s ist. Sein letzter Ausbruch war 1979, dennoch sind heute Wanderungen auf den Kraterrand und sogar bis zum im Inneren des Kraters liegenden See möglich.

An den Ufern im Norden St. Vincent’s wurde übrigens auch „Fluch der Karibik“ gedreht.

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Hafen von Port Elizabeth

Von Kingstown legt die Fähre nach Bequia ab, der größten von St. Vincent’s Grenadinen-Inseln, die nach einer etwa einstündigen Fährüberfahrt erreicht wird. Die Insel hat zwar auch einen kleinen Flughafen, der von St. Lucia oder Barbados angeflogen wird, aber die direkten Flüge sind wesentlich teurer als der Flug auf die Hauptinsel und dann die Weiterfahrt mit der Fähre.

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Obwohl die Fähre nur eine Lücke von 12 Kilometern zwischen St. Vincent und Bequia überbrückt, kann es selbst bei schönem Wetter zu heftigem Seegang kommen. Immerhin bewegt man sich auf dem offenen Atlantik, und freies Stehen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren, war auf den Bequia Express Fähren, die zwischen Kingstown und Bequia pendeln, fast unmöglich.

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Blick vom Hafen über die Admiralty Bay in Richtung Süden

Bequia – „Beckwä“ gesprochen, was in der Sprache der Arawak, der Ureinwohner, „Insel der Wolken“ bedeutet – hat nur etwa 5.000 Einwohner, wovon knapp 1.000 in Port Elizabeth, dem Hauptort und Hafen der Insel, leben. Hier legen die Fähren aus Kingstown an und gleichzeitig ist der Ort Hafen für zahlreiche Segelschiffe und Yachten, die von hier für einen Segeltörn durch die Inselwelt der Grenadinen ablegen oder auch nur einen Zwischenstopp bei einer Rundreise durch die Karibik einlegen.

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Hafenbereich von Port Elizabeth

Aber auch große Kreuzfahrtschiffe machen Halt. Anlegen können sie an dem kleinen Pier von Port Elizabeth nicht, daher gehen sie weiter draußen in der Bucht, der Admiralty Bay, vor Anker und die Touristen werden in der Regel in getakteten Schüben mit kleineren Landebooten ans Ufer gebracht.

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Admiralty Bay

Der sonst eher verschlafene Ort erwacht dann zu geschäftigem Leben, indem rasch viele Verkaufsstände mit Früchten, Getränken, Schmuck und anderen Souvenirs an der Promenadenstraße von Port Elizabeth aufgebaut werden. Das geht ein paar Stunden, bis das Kreuzfahrtschiff den Anker lichtet und die Bucht wieder verlässt.

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Admiralty Bay vor der karibischen See

Ein paar Restaurants und Bars säumen das Ufer von Port Elizabeth. Daneben gibt es einen Supermarkt, eine Tankstelle, eine Bankfiliale, ein Zollamt, ein Krankenhaus, einen Buchladen, mindestens zwei Kirchen, eine Schule, natürlich ein Geschäft für Segelbedarf und ein paar Gästehäuser und Hotels.

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Port Elizabeth

Bequia hat eine lange Tradition des Walfangs und des Walfangschiffbaus. Tatsächlich ist die Insel weltweit einer der wenigen Orte, in denen Walfang, wenn auch mit einer strengen Limitierung, heute noch offiziell erlaubt ist.

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Blick über die Admiralty Bay vom Ufer in Port Elizabeth

Dabei dürfen nur traditionelle Methoden des Walfang zu Einsatz kommen, bei denen Harpunen von Hand von offenen Segelbooten aus geworfen werden müssen. Das Walfleisch darf nur für den Eigenbedarf auf Bequia verbraucht und nicht exportiert werden. Höchstens vier Buckelwale pro Jahr dürfen gefangen werden, aber diese Zahl wird schon seit einigen Jahr nicht mehr erreicht.

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Neben Bequia haben nur zwei oder drei Regionen an den Küsten der Nordpolarmeere, vor allem im Norden Sibiriens und in Alaska, dieses Walfangsonderrecht. Es muss nachgewiesen sein, dass Wale tatsächlich in der Vergangenheit die mehr oder weniger alleinige Existenzgrundlage dieser Völker gewesen und tief in ihrer kulturellen Tradition verankert sind. In den Kommissionen, welche die Verlängerung dieses Rechts alle paar Jahre bewilligen, wird dies für Bequia allerdings regelmäßig angezweifelt, da es als fragwürdig gilt, ob das Leben der Urbevölkerung von Bequia tatsächlich gänzlich vom Walfang abhängig war und er identitätsstiftende Bedeutung für sie hatte. Trotzdem fand die Verlängerung bis heute immer statt. Dem Walbestand schadet es kaum, da Bequia immer weniger von seinem Sonderrecht Gebrauch macht.

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Admiralty Bay mit dem Hamilton Fort auf dem kleinen Hügel rechts

An der nordwestlichen Spitze der Admiralty Bay gelangt man zum Hamilton Fort, das bis auf ein paar Kanonen kaum mehr an eine Festung erinnert. Aber der Hügel, auf dem sie sich befindet, bietet eine schöne Aussicht über Port Elizabeth und die Admiralty Bay.

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Port Elizabeth und Admiralty Bay vom Hamilton Fort aus gesehen

Ebenso hat man einen guten Blick über das südwestliche Ende von Bequia auf der gegenüberliegenden Seite der Admiralty Bay, wo die Insel immer schmaler wird und am Ende in ein paar Miniinseln zerfällt.

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Südwestende von Bequia vom Hamilton Fort aus gesehen

Die Hügel auf Bequia sind nicht allzu hoch, dafür aber einfach zu erreichen, so dass sich immer wieder schöne Aussichten über Port Elizabeth und die Bucht bieten.

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Blick auf die Admiralty Bay von den Hügeln über Port Elizabeth

Da die Admiralty Bay Richtung Westen liegt, ist sie auch für fantastische Sonnenuntergänge gut – im Winter, als ich dort war, über den Klippen am Südwestende der Insel, im Sommer aber direkt über der karibischen See.

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Admiralty Bay und Südwestende Bequias

Auf Bequia kann es, wie überall in der Karibik, auch einmal heftig regnen. Doch meistens ist es nur kurz und der niedergegangene Regen reicht nicht aus, um eine befriedigende Süßwasserversorgung der Insel zu gewährleisten. Im Unterschied zur Hauptinsel St. Vincent und auch zu den Nachbarn St. Lucia und Grenada sind die Berge auf Bequia für ausgiebigere Regenphasen nicht hoch genug. Die höchste Erhebung misst nur 268 Meter. Daher mahnen Hotels die Gäste meistens zur Sparsamkeit beim Wasserverbrauch.

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Regenschauer auf Bequia und ein Kolibri, dem der Regen die Frisur ruiniert hat

Vom Hafen von Port Elizabeth aus führt der Belmont Walkway als schmaler Spazierweg in südlicher Richtung immer am Ufer der Admiralty Bay entlang.

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Belmont Walkway an der Uferpromenade von Port Elizabeth

Er führt zu Bequias bekanntestem Strand, dem Princess Margaret Beach. Ursprünglich hieß er Tony Gibbons Beach, aber nachdem die englische Prinzessin Margaret sich einmal entschied, hier ein Bad zu nehmen, wurde der Strand schnell umbenannt. Man scheint sich der dem Commonwealth vorstehenden Königsfamilie doch recht verbunden zu fühlen. Auch Port Elizabeth selbst ist nach der Queen Mother von Königin Elizabeth II. benannt.

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Princess Margaret Beach

Weiter südlich vom Princess Margaret Beach schließt sich durch einen Felsvorsprung getrennt der nicht minder schöne Lower Bay Beach an, benannt nach einem kleinen „Vorort“ von Port Elizabeth.

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Lower Bay Beach

Obwohl im Februar Hochsaison ist, waren die beiden Strände ganz und gar nicht überlaufen. Vergleichsweise wenige Touristen verirren sich nach Bequia und nur die Kreuzfahrtbesucher sorgen ab und zu für kurzzeitig belebtere Strände.

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Lower Bay Beach und Admiralty Bay

Beide Strände liegen auf der karibischen Westseite der Insel, die vor dem Passat des Atlantik geschützt ist. Die umgebende Bucht sorgt zusätzlich für einen ruhigen Wellengang und verwandelt die Strände in wahre Karibik wie aus dem Bilderbuch.

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(Fotos vom Februar 2019)

 

St. Lucia – Balenbouche Estate

Ein historisches Anwesen und ein Lost Place

Von Soufrière aus führt die Westküstenstraße durch die gebirgige Landschaft der Pitons in Richtung Süden, bevor das Gelände langsam flacher wird und in die Ebene von St. Lucia’s Süden übergeht.

Auf halbem Weg nach Vieux Fort trifft man auf das riesige Anwesen des Balenbouche Estate, einer ehemaligen Zuckerplantage, die zum kulturellen Erbe der Insel gehört.

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Plantagenhaus des Balenbouche Estate

Das Anwesen ist seit Jahrzehnten von der aus Deutschland stammenden Familie Lawaetz bewohnt, auch wenn es schon lange keinen Betrieb als Zuckerplantage mehr gibt.

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Das ganze weitläufige Gelände zusammen mit dem bewohnten Haupthaus der Plantage kann gegen eine geringe Gebühr heute besichtigt werden, und die Besitzer führen, wenn sie Zeit haben, persönlich durch die Geschichte des Anwesens.

Frau Lawaetz, die ich zufällig an einer Bushaltestelle in der Nähe der Zufahrt zum Balenbouche Estate getroffen hatte und mit der ich zusammen zum Plantagenhaus gefahren war, gab mir einen kurzen historischen Überblick über das Haus und ließ mich dann mit einem ihrer Hunde über das Gelände des Anwesens ziehen.

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Im Garten des Balenbouche Estate

Das Pantagenhaus liegt in einem großen tropischen Garten, der mit einigen Wiesenarealen um das Haus aufgelockert ist.

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Überall verstreut findet man Überbleibsel aus der Zeit des Anwesens als Plantage, kleine Stücke bis hin zu Scheunen, die noch auf dem Gelände stehen.

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Die Scheunen werden noch für verschiedene Zwecke genutzt. In einer befindet sich zum Beispiel ein Meditationsraum, der für Touristen, die im Balenbouche Estate untergekommen sind, benutzt wird.

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Mehrere Hütten auf dem Gelände sind renoviert und zu komfortablen Unterkünften ausgebaut worden, die heute an Gäste der Insel vermietet werden. Damit erwirtschaftet das Balenbouche Estate einen großen Teil der Einnahmen, die für seine aufwändige Instandhaltung nötig sind.

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Das größte Highlight auf dem Gelände des Anwesens sind die Ruinen der alten Zuckermühle, die sich in der Nähe des Plantagenhauses inmitten eines wild wuchernden Stück Urwalds befinden, der auf einem schmalen Pfad durchschritten werden kann.

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Verlassene Zuckerrohrmühle und Destillerie auf dem Balenbouche Estate

Wie bei einem uralten Lost Place hat sich die Natur große Teile der ehemaligen Maschinerien und Gebäude zurückerobert.

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Balenbouche wurde um 1740 herum als eine Plantage aufgebaut, die Zucker und Rum produzierte. Sklaven aus Afrika wurden auf die Plantage gebracht und dort zur Arbeit auf den ausgedehnten Zuckerrohrfeldern und in der Destillerie gezwungen. Die Steinkessel, in denen der Zuckersaft zur Herstellung von Melasse gekocht und von Kessel zu Kessel abgekühlt wurde, sind unter Farnen und Sträuchern noch deutlich zu sehen. Der Prozess der Rumherstellung lief damals nicht wesentlich anders ab als heute zum Beispiel auf Grenada und anderen Karibikinseln.

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1834 wurde die Sklaverei auf St. Lucia abgeschafft und die befreiten Sklaven, die auf der Plantage arbeiteten, gründeten zum Teil kleine Gemeinden in der Nähe des Estates, die auch heute noch mit ausgeprägten afrikanischen Wurzeln existieren.

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Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden Arbeiter aus Indien auf vielen Plantagen St. Lucia’s und anderer ostkaribischer Inseln angeheuert, um die befreiten Sklaven aus Afrika, welche die Plantagen verließen, zu ersetzen.

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An der Wende zum 20. Jahrhundert kehrten viele in ihre Heimat nach Indien zurück, aber manche blieben auf St. Lucia und ließen sich in der Nachbarschaft des Balenbouche Estate nieder, wo ihre Nachkommen heute noch leben.

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Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Betrieb der Zuckerplantage eingestellt, nachdem beinahe 200 Jahre lang auf ihr gearbeitet wurde. Zwischen den beiden Walzen der Zuckerrohrpresse sieht man übrigens einen großen Schraubenschlüssel eingeklemmt, von dem gesagt wird, dass mit ihm tatsächlich die ganze Maschinerie angehalten wurde.

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Tatsächlich geht die Besiedelung des Geländes um das Balenbouche Estate noch in viel weitere Vergangenheit zurück. Petroglyphen – Steinzeichnungen – in der Nähe des vorbeifließenden Balenbouche Rivers belegen, dass schon vor 2000 Jahren die aus Mittelamerika stammenden Arawak hier heimisch waren.

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Etwa um 1000 n. Chr. wurden sie von den Kariben verdrängt. Bei der Ankunft der Europäer ergaben sich die verbliebenen Eingeborenen um etwa 1660 den Franzosen und ihre Kultur ging bis auf wenige Spuren, die man in der Umgebung von Balenbouche finden kann, unter.

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1964 wurde das Anwesen dann von der Lawaetz-Familie erworben, die erst den landwirtschaftlichen Betrieb mit anderen Produkten wiederbelebte und später die Hütten der Arbeiter auf der Farm in Gästehäuser umwandelte, um Farmwirtschaft und Tourismus auf dem Plantagengelände zu kombinieren.

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Das Land des Anwesens reicht bis zur Karibikküste, wo es an zwei schwarzen Lavasandstränden endet.

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Schwarzer Sandstrand des Balenbouche Estate an der Karibikküste

Südlich vom Balenbouche Estate passiert man den letzten Ort, Laborie, vor Vieux Fort.

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Laborie

Von der Südspitze der Insel ging die Fahrt wieder an der Ostküste entlang bis in die Nähe des George FL Charles Airports im Norden von Castries.

Das war St. Lucia. Am nächsten Morgen ging es dann per Flug zur nächsten Insel.

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(Fotos vom Februar 2019)

 

St. Lucia – Schwefel, Blumen, Wald und Wasserfälle

Naturattraktionen rund um Soufrière

Die Gegend um Soufrière auf St. Lucia hat zahlreiche Naturattraktionen zu bieten, die alle zu besichtigen mehrere Tage in Anspruch nehmen würde. In der Kürze der Zeit musste ich mich daher auf eine kleine Auswahl beschränken.

Was auch immer man besucht, die beiden Pitons sind aus stets wechselnden Perspektiven ständiger Begleiter der Szenerie um Soufrière.

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Petit Piton

Nach nur wenigen Kilometer, nachdem man den Ort verlassen hat, gelangt man zu einer weiteren Hauptattraktion St. Lucia’s, den Sulphur Springs oder Schwefelquellen. Sie werden auf der Insel auch als „Drive-In-Volcano“ beworben, da man nach kostenpflichtigem Einlass in das Gebiet mit dem Auto relativ nahe an die Quellen heranfahren kann, wenn auch die Freiheiten ziemlich eingeschränkt sind und die meisten Aussichtspunkte doch nur zu Fuß und im Rahmen einer Führung erreicht werden können.

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Sulphur Springs

Die Sulphur Springs sind ein anschauliches Zeugnis des vulkanischen Ursprungs St. Lucia’s wie auch der meisten anderen Inseln über dem Winde, und sie stellen das geothermisch aktivste Gebiet der Kleinen Antillen dar. Sie liegen, wie auch Soufrière selbst, innerhalb der Qualibou-Caldera, die nach dem Einsturz eines vor etwa 40000 Jahren entstandenen Lavadoms entstanden ist. Der letzte Ausbruch von Lava hat 1780 stattgefunden, aber das Gebiet ist bis heute mit brodelnden Quellen und Fumarolen, aus denen heiße Dämpfe austreten, sehr aktiv.

Vor einigen Jahren konnte man noch deutlich näher an die dampfenden Löcher im Boden herantreten, aber nachdem ein Wissenschafter auf dem instabilen Untergrund eingebrochen und tödlich verunglückt war, sind die Absperrungen auf einen respektvolleren Radius erweitert worden.

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Der hohe Schwefelgehalt der Dämpfe hat Soufrière – Schwefelgrube – auch den Namen gegeben. Das Gelände war im 19. Jahrhundert wirtschaftlich von Bedeutung, als dort Schwefel abgebaut wurde. Heute wird das Wasser der Quellen vor allem für therapeutische Zwecke zur Behandlung verschiedener Krankheiten genutzt.

Über die Nutzung der geothermischen Energie als Energiequelle für St. Lucia hat man auch nachgedacht, aber alle Pläne sind bisher im Sande verlaufen, vor allem weil man keine überzeugende Lösung gegen das Rosten der notwendigen Rohrleitungen gefunden hat.

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Am Ortsrand von Soufrière befinden sich die Diamond Botanical Gardens, in denen man viele Blumen und Pflanzen der Karibik, nicht nur einheimische Pflanzen St. Lucia’s, in einem üppig grünen weitläufigen Garten bewundern kann.

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Diamond Botanical Gardens

Der Garten wird aktiv gepflegt und ständig um neue Anpflanzungen erweitert. Mit etwas Glück sieht man auch Kolibris auf der Suche nach Blütennektar. Die rasend schnellen Vögel mit der Kamera einzufangen, ist allerdings deutlich schwieriger als eine Fotoserie der vielen farbenprächtigen Blumen im Garten zusammenzustellen.

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Durch den Garten fließt der Diamond River, dessen graues bis fast schwarzes Wasser von seiner Herkunft aus dem vulkanischen Gebiet der Sulphur Springs zeugt. Er hat auch die ehemaligen Heilbäder versorgt, die der französische König Ludwig XVI. für seine Soldaten hier bauen ließ. Nur noch Überreste sind von ihnen erhalten, aber man hat inzwischen neue ähnliche Mineralbäder in dem Garten angelegt, die auch gegen Gebühr genutzt werden können.

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Diamond River, von der Asche der benachbarten Sulphur Springs dunkelgrau gefärbt

Am Ende des Gartens stößt man auf die Diamond Falls, in denen sich der Diamond River über bunte Ablagerungen verschiedener Minerale in den Garten ergießt.

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Diamond Falls

Von den Wasserfällen aus führt der Weg zurück zum Eingang des Gartens, aber es gibt mehrere Wege, so dass man auf dem Rückweg in den Genuss anderer Blumen, Sträucher und Bäume kommt.

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Die Diamond Falls sind nur einer von mehreren Wasserfällen, die sich in der Nähe von Soufrière befinden. Unterhalb der Nordseite des Petit Piton sind zum Beispiel die Piton Waterfalls, zu denen man in eine kleine Schlucht hinabsteigt. Am Grund der Schlucht wurden ein paar Becken gebaut, in denen sich das aus dem geothermischen Gebiet stammende warme und sehr mineralreiche Wasser für ein Bad im Schatten der Bäume sammelt.

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Piton Waterfalls und Petit Piton

Die Gegend um Soufrière mit ihren ausgedehnten Regenwäldern ist auch die beste Wanderregion St. Lucia’s.

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Tet Paul Nature Trail

Einer der einfachsten Wege führt in knapp einer Stunde über den Tet Paul Nature Trail, der in der Lücke zwischen dem Gros Piton und dem Petit Piton verläuft.

Der Pfad wurde den Einheimischen eines benachbarten Dorfes in Eigeninitiative angelegt und wird auch von ihnen gepflegt. Wanderführer, die man hier buchen kann, kommen ebenfalls von dort und alle Einnahmen fließen in das Dorf zurück.

Der Weg führt in leichtem Auf und Ab zu verschiedenen Aussichtspunkten, die weite Blicke über die südliche Hälfte St. Lucia’s, auf die Pitons und über die nahe  karibische und die fernere atlantische Küste erlauben. Unter anderem ist vom Wanderpfad auch St. Lucia’s höchster Berg, der 950 Meter hohe Mount Gimie zu sehen, der wie die meisten Erhebungen der Insel vulkanischen Ursprungs ist.

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Mount Gimie, mit 950 Metern St. Lucia’s höchster Berg

Auf dem Tet Paul Nature Trail ist man den beiden Pitons besonders nah. Südlich liegt der dicht bewaldete etwas höhere Gros Piton, der in einer geführten Wanderung relativ leicht bestiegen werden kann. Er ist mit 798 Metern Höhe der zweithöchste Berg St. Lucia’s.

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Gros Piton (798 m)

Der 743 Meter hohe, schroffere und felsigere Petit Piton liegt nördlich des Wanderweges. Zwischen den beiden Vulkankegeln befindet sich an der Karibikküste der Sugar Beach, einer der schönsten und exklusivsten Strände St. Lucia’s.

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Petit Piton (743 m) und Sugar Beach links unten.

Wanderungen im Regenwald St. Lucia’s sind grundsätzlich nur mit autorisiertem Führer erlaubt. Der Tet Paul Nature Trail bildet eine Ausnahme; jedenfalls gestatten die Wanderführer vor Ort in der Regel, die kurze Wanderung allein zu unternehmen, da sie recht harmlos ist und die Wege nicht zu übersehen und gut ausgeschildert sind.

Normalerweise soll der Regenwald aber vor unkontrollierten Wanderern und die Wanderer vor einer nicht ganz ungefährlichen Schlangenart St. Lucia’s geschützt werden. Diese bis zu 2 Meter große Lanzenotternart ist leicht erregbar, angriffslustig, schnell und extrem giftig, und das Gift gehört zu den komplexesten Mischungen im Tierreich und kann ganz unterschiedliche Wirkungen verursachen. Einheimische erzählen manchmal mit etwas makabrem Genuss von den Schrecken dieser Schlangenart. Aber vielleicht dient auch das wieder dem Schutz des heimischen Regenwalds, hat man doch nach diesen Geschichten etwas den Mut verloren, sich als Wanderer auf eigene Faust auf den Weg zu machen.

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(Fotos vom Februar 2019)

 

St. Lucia – Soufrière und die Pitons

Zu den beiden Wahrzeichen St. Lucia’s

Die Westküste St. Lucia’s von der Marigot Bay in südlicher Richtung gehört sicherlich zu den schönsten Abschnitten der Insel. Die Landschaft wird immer grüner und bergiger und alle paar hundert Meter eröffnen sich neue Ausblicke über die karibische Seite der Küste. Die Hauptstraße schlängelt sich durch die Hügel, mal ganz nahe an der Küste, mal weiter weg, und passiert einige der kleinen Orte, die sich mit größeren Lücken an der Westküste aneinanderreihen.

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Brücke über den Grande Rivière de l’Anse La Raye

Einer der ersten Orte, durch den man auf der Strecke fährt, ist Anse-la-Raye, ein Fischerort, der nicht viel mehr als 1400 Einwohner zählt. Er liegt direkt an einer Bucht mit einem langen Strand, der sowohl im Norden als auch im Süden von der Mündung zweier Flüsse begrenzt wird. Der südliche ist der größere, was relativ ist; auch er kommt nur auf ein paar Kilometer Länge, macht dies aber durch einen geradezu epischen Namen wett: „Grande Rivière de l’Anse La Raye“.

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Grande Rivière de l’Anse La Raye

Im Dorf stehen noch viele über 100 Jahre alte Häuser aus der englischen und französischen Kolonialzeit.

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Anse-la-Raye

Die Straße schraubt sich in vielen Kehren in die Höhe und ein Stück von der Küste weg, wo sich weite Blicke über den Regenwald im Landesinneren öffnen.

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Die „grüne Hölle“ St. Lucia’s

Schließlich kehrt sie in weiteren Windungen zum nächsten Ort an der Küste zurück. Canaries war in den 60-er Jahren nur mit dem Boot erreichbar, bevor die Westküstenstraße gebaut und das Dorf mit etwa 1300 Einwohnern an St. Lucia’s Straßennetz angeschlossen wurde. Die ursprünglichen Siedler kamen von Martinique hierher und lebten lange Zeit von einer großen Zuckerplantage, die sich in der Nähe des Ortes befand.

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Canaries

Hinter Canaries entfernt sich die Straße wieder von der Küste und dringt noch tiefer in den Regenwald ein, bevor der Wald oberhalb von Soufrière den Blick auf den Ort und die beiden Wahrzeichen St. Lucia’s, die Pitons, freigibt.

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Soufrière mit dem Petit Piton und dahinter dem Gros Piton

Soufrière wurde von französischen Siedlern gegründet und war ursprünglich die Hauptstadt St. Lucia’s, bevor dieser Status nach einem schweren Hurrikan und in den Wirren der Französischen Revolution an Castries überging. Mit fast 8000 Einwohnern ist Soufrière einer der größeren Orte der Insel. Er liegt in der Qualibou-Caldera, dem Einsturzkrater eines schlafenden Vulkans, der sich vor etwa 35000 Jahren geformt hat. Die Region um Soufrière ist mit heißen Quellen und Schwefelfumarolen geothermisch aktiv, und noch im Jahre 2000 gab es in der Umgebung ein Erdbeben. Frühere Erdbeben, Hurrikans und Brände haben die Stadt mehrfach zerstört und dazu geführt, dass sie mehr als einmal komplett wiederaufgebaut werden musste.

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Berglandschaft hinter den Pitons

Die Pitons – sowohl der etwas höhere Gros Piton (798 m) als auch der niedrigere Petit Piton (743 m) – sind ein UNESCO Weltnaturerbe. Sie sind vulkanische „Pfropfen“, die vor etwa 250000 Jahren von aufsteigender Lava in die Höhe gepresst wurden. Bevor es zu einem Vulkanausbruch kam, ist die Lava erkaltet und ließ die beiden Lavadome zurück.

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Abend über den Wäldern St. Lucia’s

Auch das hügelige Hinterland der Pitons, das am Rand oder innerhalb der Qualibou-Caldera liegt, ist durch diesen Prozess entstanden.

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Die Pitons im Abendlicht …

Beide Pitons und der Bergkamm zwischen ihnen beherbergen eine reichhaltige Fauna und Flora mit einigen endemischen Arten, insbesondere Vogelarten, die nur dort, teilweise sogar ausschließlich auf dem Gros Piton vorkommen.

Beide Spitzen können bestiegen werden, wobei der Gros Piton als relativ einfach gilt und außer guter Kondition und viel Wasser im tropischen Klima kein bergsteigerisches Können erfordert. Die Routen auf den Petit Piton sind schwieriger und beinhalten ein paar Kletterpassagen.

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… und im Morgenlicht

Die Umgebung von Soufrière ist bergig und hat nur recht wenige Strände, dafür aber umso exklusivere.

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Besuch zum Frühstück

Einer von ihnen, der Anse Chastanet, ist nur mit dem Boot – oder zu Fuß – zu erreichen. Er liegt versteckt hinter einem in die karibische See hineinragenden Felsvorsprung am westlichen Ende der Soufrière Bay.

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Soufrière Bay

Üblicherweise nimmt man sich ein kleines Boot – ein „Wassertaxi“ – das von Soufrière am Ufer der Bucht ablegt, und dann meistens mit einem Höllentempo über die Bucht brettert. Ich weiß nicht, wo der Begriff „brettern“ eigentlich herkommt, aber diese Tour hat mich am eigenen Rücken spüren lassen, das Wasser hart wie ein Brett sein und der Seegang einem kleinen Boot Schläge versetzen kann, dass man permanent das Gefühl hat, es werde jeden Moment in Stücke zertrümmert.

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Ufer an der Soufrière Bay und Petit Piton

Wenigstens bieten sich die Kalkfelsen am Nordufer der Bucht für einen Stopp oder eine langsamere Fahrt an, da es manchmal interessante Einblicke in Felsspalten und Höhlen in der Felswand gibt.

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Blick vom Boot über die Soufrière Bay nach Soufrière

Am Anse Chastanet ist dunkler Vulkansand und heller Sand geschichtet. Der Strand wird primär von zwei Hotels in der Nähe genutzt, obwohl sie, wie es bei allen Karibikstränden der Fall ist, kein exklusives Recht auf den Strand beanspruchen können. Er darf von allen genutzt werden; faktisch halten sich aber durch die Komplikation, den Strand überhaupt zu erreichen, fast nur Gäste der beiden Luxushotels dort auf.

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Anse Chastanet

Natürlich gibt es auch eine Strandbar, aber das Preisniveau dort ist auch auf jene Luxushotelgäste zugeschnitten und hat mich bewogen, nach dem kurzen Zwischenstopp am Strand recht schnell wieder die Rückfahrt anzutreten.

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Strandbar am Anse Chastanet

Das beste an der Bootsfahrt zum Anse Chastanet ist eigentlich nicht dieser Strand, sondern die Sicht, die sich vom Boot über die Soufrière Bay auf die Küste von Soufrière und das grüne Hinterland bietet.

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Blick über die Soufrière Bay auf Soufrière

Und auf die Pitons!

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Die Pitons vom Boot auf der Soufrière Bay, links der Petit Piton, rechts der Gros Piton

Aber sie geben von jeder Position aus und zu jeder Tageszeit ein gutes Bild ab – ob vor Sonnenuntergang …

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Die Pitons kurz vor Sonnenuntergang …

… oder nach Einbruch der Dunkelheit …,

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… und kurz nach Sonnenuntergang

… nur nicht mehr bei völlig schwarzer Nacht, wenn nur noch, ungestört vom Streulicht nahegelegener Orte, der grandiose Sternenhimmel über St. Lucia zu sehen ist.

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Sternenhimmel über St. Lucia

(Ich musste die Gelegenheit einmal nutzen, mit langen Belichtungszeiten zu experimentieren – das große Bild hatte 1 bis 2 Stunden Belichtung – aber die Bilder vermitteln nicht den Eindruck, den man mit bloßem Auge hat – oder mit besserer Kameraausrüstung und mehr Erfahrung in Astrofotografie hätte.)

(Fotos vom Februar 2019)

 

St. Lucia – Marigot Bay und Pigeon Island

Buchten und Hügel, Piraten und Admiräle

An der karibischen Westküste St. Lucia’s liegt die Marigot Bay, eine der bekanntesten Buchten der Insel, die von Hügeln mit üppigen tropischen Wäldern umgeben ist. Manche bezeichnen sie als die schönste Bucht der Karibik.

Obwohl sie mit Hotels, Restaurant und Bars touristisch gut ausgebaut ist, führt nur eine schmale, mit Schlaglöchern übersäte Straße von der Küstenhauptstraße zum inselseitigen Ende der Bucht.

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Marigot Bay

Nur die südlichen Hügel sind überhaupt – über noch schlechtere Straßen – direkt zugänglich. Die Nordseite kann man nur mit einem Boot vom anderen Ufer aus erreichen.

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Das nur mit einem Boot zugängliche Nordufer der Marigot Bay

Die Marigot Bay beherbergt einen kleinen Yachthafen, der durch seine Lage tief im Inneren der engen Bucht besonders guten Schutz vor den gefürchteten Karibik-Hurrikans bietet. Historisch habe hier auch Engländer und Franzosen, die sich um die Insel stritten, Verstecken gespielt und ihre Boote mit den dichten Palmblättern an den Ufern getarnt.

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Marigot Bay

1967 wurde in der Marigot Bay der Musical-Film Doktor Dolittle gedreht, wovon heute noch Dolittle’s Restaurant und The Pink Snail Champagne Bar zeugen. Einheimische – wenn sie nicht gerade von Geschäften in einem dieser Etablissements leben – bezeichnen ihn einmütig als einen selten blöden Film.

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Marigot Bay nach einem Regenschauer am Morgen

Von der Marigot Bay aus erreicht man nach ein paar Kilometern in nördlicher Richtung St. Lucia’s Hauptstadt Castries, die ebenfalls an der Westküste liegt. Im Gegensatz zu Grenada’s Hauptstadt St. George’s ist Castries nicht besonders schön. Alle Fotos von höherer Position über die Stadt sind zu einem signifikanten Teil durch ein dichtes Gestrüpp aus Stromkabeln verdeckt, obwohl der Blick auf den großzügigen Hafen, der zwei Anleger für große Kreuzfahrtschiffe bietet, eigentlich sehenswert ist.

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Im Kreuzfahrtschiffhafen von St. Lucia’s Hauptstadt Castries

Ähnlich wie Grenada wird auch St. Lucia von hier aus täglich von Kreuzfahrern überschwemmt, die sich morgens mit Tagesausflügen über die ganze Insel verteilen, abends zurückkehren und meist am gleichen Abend die Insel wieder verlassen.

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Schwimmendes Hotel

Zermürbt von einem die Stadt aus allen Richtungen durchschneidenden Autoverkehr und einem anstrengenden Maß an Bettlern war ich froh, die Stadt wieder zu verlassen. Weiter in nördlicher Richtung ging es vorbei an St. Lucia’s zweitem Flughafen und der Rodney Bay und Gros Islet, dem touristischen Zentrum St. Lucia’s, nach Pigeon Island.

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Pigeon Island vom Reduit Beach aus gesehen. Im Vordergrund der „Splash Island Water Park“.

Die Straße führt – links hinter einem kleinen Umspannwerk, wo das Schild zu einer der Hauptattraktionen St. Lucia’s vor Monaten umgefahren wurde und niemand bisher Lust hatte, ein neues aufzustellen – über einen kleinen befestigten Damm zu dieser als Nationalpark ausgewiesenen ehemaligen Insel.

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Pigeon Island Beach

Vor dem Eingang zum Park bietet ein Strand und Bootsanleger einen schönen Blick über die ausgedehnte Rodney Bay.

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Rodney Bay von Pigeon Island aus gesehen
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Am Eingang des Pigeon Island National Park. Signal Peak im Hintergrund.

Pigeon Island war ehemals der Unterschlupf des berüchtigten französischen Piraten François le Clerc, der als der erste Pirat mit klassischem Holzbein belegt ist.

Er griff von seinem Stützpunkt auf der Insel mit seiner kleinen Flotte aus acht Schiffen bevorzugt vorbeisegelnde spanische Handelsschiffe an, überfiel aber auch Städte anderer Karibikinseln und machte sich über den Handelsverkehr mit den kanarischen Inseln her.

Le Clerc hatte eine Übereinkunft mit den auf der Insel lebenden einheimischen Kariben ausgehandelt, so dass diese ihn gewähren ließen und seine Schiffe nicht angriffen.

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Im Pigeon Island National Park

Im 18. Jahrhundert änderte sich dann die Lage und Pigeon Island wurde vom britischen Admiral George Rodney erobert, der die Kariben von der Insel vertrieb. Er baute die ganze Insel zu einem Festungsgelände aus und ließ in dem Zuge alle Bäume auf der Insel fällen, um überall freie Sicht und Schussbahn zur Verteidigung zu haben.

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Im Pigeon Island National Park
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In den Kasernenruinen. Martinique am Horizont.

Die offenen Wiesen mit relativ wenigen Bäumen sind noch heute ein auffälliges Merkmal, wenn man das Nationalparkgelände von Pigeon Island betritt.

Für Rodney diente die Insel als Beobachtungsposten für die Bewegungen der französischen Marine.

Vor allem vom höheren der beiden Hügel aus, dem Signal Peak, hatte er freie Sicht bis zur etwa 40 Kilometer entfernten Nachbarinsel Martinique, die sich fest in französischer Hand befand und auch heute noch ein französisches Übersee-Département ist.

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Ruinen der ehemaligen britischen Kasernen von Admiral Rodney

Im Nationalpark findet man mehrere Ruinen des früheren britischen Militärgeländes, unter anderem eine Kaserne und ein Offizierskasino.

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Reste des Offizierskasinos

Richtung Norden kann man auch, ohne den Signal Peak zu erklimmen, gut das benachbarte Martinique am Horizont erkennen.

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Südküste von Martinique am Horizont in ca. 40 Kilometer Entfernung Richtung Norden

Auf dem zweiten etwas niedrigeren Hügel von Pigeon Island, der sich ganz auf der westlichen Spitze des Insel befindet, sind die nach ihm benannten Ruinen des ehemaligen Forts von Admiral Rodney.

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Fort Rodney

Admiral Rodney begann 1782 von Pigeon Island aus seinen Angriff gegen die französischen Flotte, die er in der Schlacht von Les Saintes nördlich der Kleinen Antilleninsel Dominica besiegte. Mit dieser Schlacht wurde die Vormachtstellung der britischen Seeflotte im karibischen Raum gefestigt.

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Fort Rodney mit der Rodney Bay im Hintergrund

Während des zweiten Weltkriegs wurden die Hügel auf Pigeon Island von der amerikanischen Marine als Funk- und Kommunikationsstandorte genutzt, um die Verteidigung gegen deutsche U-Boote zu koordinieren, die durch patrouillierende Flugzeuge vor den Antilleninseln aufgespürt wurden.

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Blick von Fort Rodney zum Signal Peak und nach Martinique am Horizont

Von den Hügeln hat man einen guten Blick auf den künstlichen Damm, der 1971 aufgeschüttet wurde, um Pigeon Island mit St. Lucia zu verbinden.

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Signal Peak, Damm nach St. Lucia und Rodney Bay

Auch St. Lucia’s Westküste und die grünen Berge im Hinterland sind von Pigeon Island aus gut zu sehen.

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Blick über die Westküste St. Lucia’s und das Inselinnere

Der Rückweg führte vorbei am Reduit Beach, einem der populärsten Strände St. Lucia’s, der außerdem einen schönen Sonnenuntergang über der Rodney Bay zu bieten hat.

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Abend am Reduit Beach, Rodney Bay

(Fotos vom Februar 2019)

 

St. Lucia – Vieux Fort und Ostküste

Die atlantische Seite der Insel

Wenn man auf dem internationalen Flughafen Hewanorra ganz im Süden St. Lucia’s landet und nach dem Aussteigen einen ersten Blick über die Insel wirft, bekommt man einen ziemlich falschen Eindruck von ihrer landschaftlichen Gestalt. Der Süden ist, untypisch für den größten Teil der Insel, relativ flach und trocken.

Es sei denn, man landet, wie ich von Grenada kommend, abends nach Einbruch der Dunkelheit, in welchem Fall man erst mal gar keinen Eindruck von der Insel bekommt. Stattdessen wurde mein erster Eindruck von der für alle Inseln vor dem Winde notorisch strengen Immigrations- und Zollkontrolle bestimmt, die mein schöner aus Palmblättern geflochtener und am Grand Anse Beach auf Grenada gekaufter Sonnenhut nicht überlebt hat.

„Der ist ja noch ganz frisch!“, meinte der Zollbeamte beim Blick auf die grünen Palmblätter. Das ginge gar nicht und er müsse unter Quarantäne gestellt werden als ob ich einen todbringenden Virus einschleppen würde. Ich könne ihn beim Weiterflug wieder abholen, was aber keinen Sinn machte, da ich St. Lucia vom ca. 50 Kilometer entfernten nördlichen Flughafen wieder verlassen würde. Was denn das Problem wäre, er könne mir doch nicht erzählen, dass auf Grenada grundlegend andere Palmen wachsen würden als hier, erwiderte ich beim Versuch, meinen Hut vor einem trostlosen Quarantänelager zu retten. Eben das wäre das Problem, meinte er. Es ginge nicht um die Palmblätter, sondern um mögliche kleine Insekten oder Insekteneier auf den Pflanzen, Insekten, die es möglicherweise auf St. Lucia noch nicht gäbe, die sich hier aber pudelwohl verbreiten könnten, weil sie hier eben die gleichen Palmen vorfinden würden wie auf ihrer Heimatinsel Grenada.

Der Hut war weg, da war nichts zu machen. Brauchen würde ich ihn an dem Abend zumindest nicht mehr. Am nächsten Morgen sah das von der Zwischenunterkunft in der Nähe des Flughafens schon anders aus.

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Blick über den flachen Süden St. Lucia’s. Rechts die Erhebung ist die Halbinsel Vieux Fort am äußersten Südkap.

Bevor ich mich in nördliche Richtung entlang der Ostküste aufmachte, stattete ich noch der Halbinsel Vieux Fort am äußersten Südende St. Lucia’s einen Besuch ab. Von dort hat man einen schönen Blick über die südlichen Abschnitte sowohl der atlantischen Ostküste als auch der karibischen Westküste.

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St. Lucia’s atlantische Ostküste. Links auf halber Höhe die Landebahn des Hewanorra Airport. Rechts die kleinen Inseln sind Maria Island.

Vieux Fort ist ein etwa 200 Meter hoher Hügel, so dass man bei gutem Wetter auch weit ins grüne und gebirgigere Inselinnere blicken kann.

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Ostküste und Blick ins Inselinnere. Links sind die Spitzen der beiden Pitons zu erkennen.

Der gleichnamige Ort Vieux Fort beherbergt auch einen Frachthafen, der große wirtschaftliche Bedeutung für St. Lucia hat. Vor hier wird ein guter Teil des wichtigsten Handelsguts der Insel, Bananen, verschifft.

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St. Lucia’s karibische Westküste mit dem Gros Piton rechts im Hintergrund. Im Vordergrund der Frachthafen in der Vieux Fort Bay.

In Richtung Süden kann man bei guter Sicht die gut 40 Kilometer entfernte Hauptinsel von St. Vincent erkennen.

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Blick von der Südspitze St. Lucia’s in Richtung Süden. Am Horizont ist der gebirgige Norden der Nachbarinsel St. Vincent zu sehen.

Die Strände in der Umgebung von Vieux Fort sind aufgrund des teilweise heftigen atlantischen Windes an der Ostküste bei Kitesurfern beliebt. Ein paar Unterkünfte und Resorts befinden sich in der Gegend, aber der Süden St. Lucia’s ist keines der touristischen Zentren der Insel, die alle eher auf der westlichen Karibikseite, insbesondere im Nordwesten liegen.

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Anse Des Sables Beach mit der Halbinsel Vieux Fort im Hintergrund

Das Städtchen Vieux Fort gehört zu den drei größten Orten St. Lucia’s. Neben einigen Industrieanlagen und Brauereien findet sich dort auch ein Einkaufszentrum, in dem sich ein großer Teil des Südens der Insel versorgt.

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Vieux Fort

Wie auf den anderen ostkaribischen Inseln ist die dem offenen Atlantik zugewandte Ostküste St. Lucia’s rau und zerklüftet. Ein paar Orte reihen sich die Küste entlang auf und große Bananenplantagen bestimmen das Bild, wenn man nordwärts auf der gut ausgebauten Küstenstraße fährt.

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Bananenplantagen an der Ostküste St. Lucia’s

Aus der Nähe fällt auf, dass die Bananenstauden in blaue Plastikbeutel gehüllt sind. Der Zweck ist im Wesentlichen, die Früchte, die in der frühen Wachstumsphase sehr empfindlich sind, vor Insekten und Schädlingen zu schützen.

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Schutz der Bananenstauden vor schädlichen Insekten

Auf halbem Weg liegen die Mamiku Botanical Gardens, ein botanischer Garten, der gleichermaßen von Touristen und Einheimischen, die sich dort Anregungen für die Gestaltung ihres eigenen Gartens holen, besucht wird.

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Besucherzentrum und Bar der Mamiku Botanical Gardens an der Ostküste St. Lucia’s

Mit einem kleinen Blumenatlas bewaffnet, den man leihweise an der Bar des Gartens erhält, kann man sein Glück versuchen, der Fülle tropischer Blumen einen Namen zu geben. Ich habe mein Glück nicht versucht und nur eine Reihe Fotos gesammelt.

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Blumen in den Mamiku Botanical Gardens

Es finden sich hier auch ein paar historische Überreste des Gartens, der sich ursprünglich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Besitz des französischen Ehepaars Madame und Baron de Micoud befand, bevor er in einen englischen Militärposten umgewandelt wurde, der schließlich von einer Gruppe befreiter Sklaven St. Lucia’s, den Brigands, die sich in einem kurzen Bürgerkrieg gegen die englische Besatzungsmacht auflehnten, zerstört wurde.

Aus dieser Zeit mag auch einen Sonnenuhr stammen, die sich auf einem kleinen Podest inmitten des Gartens befindet, aber beschwören kann ich ihre Entstehungszeit nicht. Jedenfalls geht sie richtig; es war tatsächlich etwa 14:15 h, als ich das Foto schoss.

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I’ll only count your sunny hours, let others tell of storms and showers

Die Straße an der Ostküste endet in Dennery auf halbem Weg zur Nordspitze St. Lucia’s. Der Nordosten St. Lucia’s ist sehr dicht bewaldet und schwer zugänglich. Keine Straße führt an diesem Küstenabschnitt entlang.

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Dennery mit Dennery Bay und Dennery Island

Stattdessen wendet sich die Hauptstraße nun ins grüne Landesinnere, um die Insel einmal bis zur Westküste zu durchqueren. Im Vergleich zu Grenada ist die Straße in ziemlich gutem Zustand. Trotzdem hat die Regierung St. Lucia’s ein Budget über mehrere Millionen Dollar bereitgestellt, um die Hauptstraße auszubessern. Man wundert sich, gibt es doch viele Nebenstraßen auf St. Lucia, deren Bodenbeschaffenheit fatal ist und die nur mit Geländewagen befahrbar sind. Das gilt auch für Zufahrtstraßen zu vielen Hotels.

Der Grund, warum man sich nicht zunächst um diese Straßen kümmert und die eigentlich schon gute Ostküstenhauptstraße und die Inseltraverse noch besser machen will, liegt in St. Lucia’s wichtigstem Exportgut, den Bananen. Ein großer Teil muss von den Plantagen an der Ostküste nach Vieux Fort oder in die Hauptstadt Castries an der Westküste mit LKWs zur Verschiffung transportiert werden, und jede Bodenwelle und Erschütterung schädigt die empfindlichen Bananen ein wenig mehr und hat negativen Einfluss auf die Qualität der Früchte und damit den erzielten Erlös beim Verkauf. Ein Tourist steckt es eben am Ende besser weg, durchgeschüttelt zu werden, als eine Banane.

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Auf dem Micoud „Highway“ von der Ost- zur Westküste St. Lucia’s

Der Micoud Highway, die Inseltraverse zwischen Ost- und Westküste, folgt auf der zweiten Hälfte immer dem Cul de Sac, dem längsten Fluss St. Lucia’s, der schließlich in der Grande Cul de Sac Bay in die karibische See mündet. Die Strecke ist gebirgig und das Wetter kann sich zwischen Küsten und Gebirge um 180 Grad drehen, und genauso schnell wieder zurück.

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Überbleibsel eines Wetterwechsels auf der Inseltraverse zwischen Ost- und Westküste

Das Ziel meiner Fahrt war die Marigot Bay, die man nach der Durchquerung der Insel über die Westküstenstraße nach wenigen Kilometern in südlicher Richtung durch eine üppig grüne Landschaft erreicht.

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Grünes Hinterland in der Nähe der Marigot Bay

(Fotos vom Februar 2019)

 

Grenada – Ostküste und die Reste der Invasion

Städte, Strände und ein Stück Geschichte

Wie viele Inseln hat auch Grenada eine Ringstraße, welche die beiden längeren Küsten – die karibische Westküste und die atlantische Ostküste – miteinander verbindet. Daneben gibt es nur noch zwei Straßen, welche die direktere Verbindung durch das Inselinnere herstellen: Zum einen die Straße über den Grand Etang Nationalpark, die von der Hauptstadt St. George’s nach Grenville an der Ostküste, dem zweitgrößten Ort Grenadas, führt, und zum anderen eine Straße vom weiter nördlich gelegenen Guyave an der Westküste, die ebenfalls in Grenville endet.

Guyave ist ein Fischerort, der unter anderem für seinen „Fish Friday“ bekannt ist. Ich wollte mir das Ereignis nicht entgehen lassen und war unterwegs von Grenville nach Guyave über die erwähnte direkte Verbindungsstraße über die Insel. Auf der Karte ist diese Straße im Stil einer verkehrstechnisch gewichtigen „Bundesstraße“ eingezeichnet. Die Realität ist, dass es eine kurvenreiche, teilweise durch die Berge verlaufende steile und vor allem so schmale Straße ist, dass zwei Autos kaum aneinander vorbei passen. Natürlich gibt es keine Straßenbeleuchtung und an der Straße liegen kaum Orte und nur sehr wenige einzelne Häuser, und wenn die Dunkelheit hereinbricht, wird es unangenehm, wenn man die Straße zum ersten Mal fährt. Wie üblich auf Grenada hat man auch mit Beschilderungen sehr gespart, so dass ich an einer Stelle in der Dunkelheit fragen musste, ob es geradeaus oder rechts ab nach Guyave geht.

Andrew war selbst zu Fuß zum Fish Friday unterwegs, so dass es die ideale Lösung war, ihn gleich mitzunehmen. Das half nicht nur für die Navigation an jeder noch folgenden Abzweigung, sondern er gab mir auch Tipps an Engpässen – im Wesentlichen „bloß nicht stehen bleiben, immer Gas geben!“ – und er kannte die geeigneten Parklücken in Guyave.

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Guyave

In Guyave treffen sich jeden Freitag Abend viele Einheimische und einige Touristen aus der Umgebung und werden mit frisch gefangenem Fisch, Meeresfrüchten, Gemüse, Gebackenem und Getränken von Mangosaft bis Rum verwöhnt. Zwei, drei Straßen im Ort sind dann gefüllt mit Ständen, in denen gebraten, gekocht, gedünstet, Musik gemacht und geplaudert wird.

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Fish Friday in Guyave

Andrew ließ es sich nicht nehmen, mich bei einem abendlichen Verdauungsbummel durch seinen Heimatort zu führen. Besonders wichtig war ihm, mir das „Getto“ zu zeigen. Ob ich interessiert wäre? Was denn „Getto“ hieße, fragte ich. Da wären halt die ganz Armen, erwiderte er. Es war mir suspekt und ich antwortete, och nö, nicht wirklich. Wir gingen zum Hafen und zum Strand, und auf dem Rückweg nahm er eine andere Route, und die führte… durch das Getto. „Das ist das Getto!“, erläuterte er mit ausgebreiteten Armen als stünden wir vor dem Petersdom.

Während wir also durch die kleine Straße schlenderten, zeigte er links und rechts auf überquellende Mülltonnen, Schotterhaufen, bröckelnde Fassaden und Bretterhütten – entweder als wären wir in einer archäologischen Ausgrabungsstätte von unschätzbarem Wert oder um seine Geringschätzung der Getto-Zustände mit mir zu teilen. Auf den Treppen saßen Leute vor ihren Hütten und Andrew kannte sie offenbar alle und grüßte sie mit „Wess!“ mit langgezogenem zischendem „s“, ohne sich jedoch auf mehr Worte einzulassen. In seinem distanziert wirkenden Verhalten lag ein deutliches „Gut, dass ich nicht zu Euch gehöre!“, das sich am Ende der Getto-Straße, die wieder auf der Hauptstraße durch Guyave endete, bestätigte, als mich jemand um ein, zwei ostkaribische Dollar anbettelte und Andrew mich mit einem „No, no, no!“ und einer murmelnden Bemerkung „Betteln ist widerlich“ wegzog.

Dieser Getto-Besuch war recht bizarr und ich habe bis heute nicht richtig verstanden, warum ihm, der selbst gewiss nicht zu den Wohlhabenden gehörte, soviel daran lag, aber es mag einfach das Bedürfnis gewesen sein, mir ein Stück „authentisches“ Grenada abseits der Hauptattraktionen zu zeigen.

Eine dieser Hauptattraktionen – jedenfalls für die Menschen Grenadas – stammt aus Guyave, was mit einem großen Banner an einem der Gebäude der Hauptstraße unterstrichen wird. Es handelt sich um den berühmtesten Sportler Grenadas, den Leichtathleten Kirani James, der 2012 bei den Olympischen Spielen in London die Goldmedaille im 400m-Lauf gewann und damit die erste olympische Medaille für Grenada überhaupt.

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Kirani James, Grenadas einziger olympischer Medaillengewinner

„Wess!“, grüßte Andrew weiter alle Passanten auf dem Weg zurück zum Parkplatz. Was denn eigentlich „Wess“ hieße, wollte ich wissen. Es stünde für „Westerhall“ und für Kampf, nicht für Frieden, antwortete er, bevor er schnell das Thema wechselte. Ich verstand nichts – bis ich später ein wenig mehr über die amerikanische Invasion von 1983 gelesen hatte.

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Im Inselinneren auf der Straße zwischen Guyave und Grenville

Eines der ganz wenigen noch sichtbaren Zeugnisse dieser Invasion liegt an der Ostküste, die man über jene Straße quer durch das grüne Inselinnere erreichen kann, über die ich auch nach Guyave gekommen war. Sie endet im zweitgrößten Ort Grenadas, Grenville, der sich durch einen irrsinnigen Verkehr auf der Küstenhauptstraße auszeichnet, die den Ort durchschneidet.

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Grenville
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Old Church in Grenville

Am südlichen Ortsausgang von Grenville fällt die Old Church auf, eine katholische Kirche, deren Dach zwar auch von Hurrikan Ivan abgedeckt wurde, aber die sich schon viel länger in verfallenem Zustand befindet. Angeblich wurde sie schon Anfang des 20. Jahrhunderts aufgegeben, da sie damals von einem massiven Mosquito-Befall heimgesucht wurde. Restaurierungspläne gibt es seit 25 Jahren, aber man sagt, dass bewilligte EU-Gelder für das Projekt nie ihr Ziel erreicht haben und dass die Finanzbehörden heute noch in den Unterlagen suchen, wohin das Geld stattdessen gegangen sein könnte und ob es überhaupt je überwiesen wurde. In den Datenbanken der Finanzinstitutionen sei jedenfalls nichts nachzuweisen.

Etwas weiter nördlich von Grenville findet man dann den Pearls Airport, der bis 1984 Grenadas einziger Flughafen war, bevor er durch den heutigen Flughafen am Point Salines im Süden der Insel ersetzt wurde. Die Rollbahn wird heute gelegentlich als Go-Kart-Bahn genutzt – und ganz allgemein wird sie nach Lust und Laune als Abkürzung, Rennstrecke oder Zugang zu den am Rande weidenden Kühen und Ziegen befahren. Flugzeuge starten und landen hier jedenfalls nicht mehr.

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Pearls Airport

Aber am Rande auf der Wiese liegen sie herum. Genaugenommen sind es zwei Flugzeuge, die seit über 35 Jahren an dieser Stelle liegen. Dass es in irgendeiner Form eine Gedenkstätte ist, kann man kaum erahnen, denn kein Schild weist darauf hin, und man muss einen Reiseführer oder historische Quellen lesen, um zu erfahren, dass es sich um Überbleibsel der amerikanischen Invasion von 1983 handelt. Ich bin mir nicht sicher, ob man sich beschweren würde, wenn jemand eines Tages einfach so auf die Idee käme, die Schrotthaufen wegzuräumen, aber ich ahne, sie sind eine Form von historischen Denkmälern, die durch Gewohnheitsrecht geschützt sind. Sie waren schon immer da und jetzt ist es zu spät und moralisch geradezu verboten, sie wieder loszuwerden.

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Bei der Invasion 1983 beschädigte Flugzeugwracks am Pearls Airport

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Sieht man genauer hin, erkennt man auf der maroden Außenhaut der Flugzeuge so gerade noch Aufschriften wie „CCCP“, „AEROFLOT“ oder „CUBANA“. Es sind Flugzeuge russischer und kubanischer Herkunft, die während der Invasion beschädigt wurden und seitdem hier liegen.

Tatsächlich waren die Hinwendung Grenadas zu einer marxistischen Ideologie, wirtschaftliche Unterstützung durch Kuba und die Sowjetunion sowie schließlich der Bau des neuen größeren Flughafens, in dem einige der karibischen Nachbarländer Grenadas und die USA eine strategische Operationsbasis für den Aufbau eines zweiten Kuba zu wittern meinten, der Stein des Anstoßes für die Invasion von 1983.

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Unter dem Namen Operation Urgent Fury begannen die USA und alliierte karibische Streitkräfte am 25. Oktober eine Invasion in Grenada mit dem Ziel, die pro-kubanisch/-sowjetische Regierung zu stürzen und durch eine westlich orientierte Partei zu ersetzen.

Die Operation, die innerhalb von vier Tagen bei deutlicher militärischer Überlegenheit und geringem Widerstand zum Erfolg führte, wurde von den meisten Mitgliedsstaaten der UN als Völkerrechtsverletzung heftig kritisiert. Margaret Thatcher äußerte sich Präsident Ronald Reagan gegenüber stinksauer, weniger weil es sich um eine Völkerrechtsverletzung handelte, sondern weil er es ihr hätte überlassen müssen, Grenada als schwarzes Schaf des britischen Commonwealth zurechtzuweisen.

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Man findet Filmmaterial der Invasion, in dem amerikanische Soldaten erzählen, dass sie gar nicht so recht wüssten, warum sie auf Grenada seien, bis gestern keine Ahnung hatten, dass ein Land dieses Namens überhaupt existiert, geschweige denn, wo es liegt, und in dem die einheimische Bevölkerung sie recht freundlich mit Wasser und Früchten versorgt.

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Die Militäroperation, an der auf grenadischer Seite übrigens auch 16 deutsche Soldaten der damaligen DDR als „sozialistischem Bruder“ beteiligt waren, endete mit etwa 70 Toten auf grenadischer und kubanischer und etwa 20 Toten auf amerikanischer Seite. Die Meinungen dazu sind in Grenada geteilt, neigen aber heute eher dazu, die Invasion als eine Befreiung von einer drohenden Einschränkung demokratischer Rechte und Wahlen anzuerkennen. Diese offizielle Meinung kommt auch darin zu Ausdruck, dass Thanksgiving als Nationalfeiertag auf Grenada auf den 25. Oktober, den Tag der Invasion, gelegt wurde.

Gleichzeitig wurde aber auch der heutige Flughafen am Point Salines 2009 in Maurice Bishop Airport umbenannt, als Erinnerung an den charismatischen Gründer der sozialistischen Partei New Jewel Movement, der Grenada 1983 auf den kuba- und sowjet-freundlichen Kurs führte, breite Zustimmung in der Bevölkerung genoss und wenige Tage vor der Invasion von radikaleren Kräften seiner eigenen Partei ermordet wurde. Tatsächlich war diese mit Maurice Bishops Ermordung einhergehende Radikalisierung einer der offiziell genannten Gründe für das Eingreifen der USA.

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Vielleicht schlägt auch in Andrew und einigen seiner Mitbürger aus Guyave noch ein verstecktes sozialistisches Herz. Westerhall ist eine Halbinsel im Südosten Grenadas, auf der schon vor 1983 viele Anwesen von ausländischen Investoren gebaut und gekauft wurden. Das „Manifesto“ der New Jewel Movement forderte die Verstaatlichung aller ausländischen Hotels für den Aufbau einer Tourismus-Branche, die den Bürgern Grenadas und nicht internationalen Hotelkonzernen gehört. Westerhall ist ausdrücklich als ein Beispiel genannt. Wess!

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Ostküste in der Nähe des Pearls Airport

Ganz in der Nähe des Pearls Airport befindet sich der Pearls Beach, der laut Reiseführer als einer der schönsten Strände gilt. Aber das muss einige Zeit zurückliegen, denn der Strand ist in einem sehr heruntergekommenen und ungepflegten Zustand.

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Pearls Beach

Dabei stört weniger das Seegras, das vor allem an der Atlantikküste sehr verbreitet ist, als vielmehr Schutt- und Müllhaufen, die sich überall verteilt an der Küstenlinie finden.

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Blick auf den offenen Atlantik am Pearls Beach

Auf dem Weg die Ostküste entlang in Richtung Süden liegen hin und wieder verfallene Häuser, deren sich der Wald im Laufe der Zeit bemächtigt hat.

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Verfallenes Haus an der Ostküstenstraße

Ein weiterer der vielen Wasserfälle Grenadas befindet sich nur ein Stück von der Ostküste entfernt am Fuße eine Berges.

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Blick zur Ostküste auf dem Weg zu den Mount Carmel Waterfalls

Ein kurzer Waldweg führt von der Straße leicht den Berg hinauf zu den Mount Carmel Waterfalls. Der Zugang zu dem Weg ist nicht leicht zu finden, da er nicht ausgeschildert ist, aber es sind immer Einheimische in der Nähe, die einem den Beginn des Pfades zeigen.

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Mount Carmel Waterfalls

La Sagesse Beach ist tatsächlich einer der schönsten Strände Grenadas. Er liegt zwar an der wilden atlantischen Ostküste, ist aber in einer tief eingeschnittenen Bucht zwischen zwei bewaldeten Halbinseln vor dem heftigen Seegang geschützt.

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La Sagesse Beach

Das Anwesen, das an diesem Strand liegt, wurde in den 60-er Jahren von einem englischen Lord, einem Cousin von Königin Elizabeth, gekauft. Der Lord machte sich auf Grenada äußerst unbeliebt, als er den Zugang zum Strand, der bei der einheimischen Bevölkerung ein populärer Badestrand war, für die Öffentlichkeit absperrte und ihn als seinen Privatstrand betrachtete.

1975 ging Maurice Bishops New Jewel Movement zusammen mit der Bevölkerung der benachbarten Dörfer gegen die Absperrungen vor, beseitigte sie und besetzte das Haus des Lords, der zu der Zeit abwesend war.

Heute ist La Sagesse wieder, wie alle karibischen Strände, für alle frei zugänglich und es ist dort wie überall an Grenadas Küsten wunderbar entspannt und ganz und gar nicht überfüllt. Trotzdem, und es scheint völlig überflüssig zu sein, sind ein oder zwei Leute der „Beach Security“ dort unterwegs und freuen sich, wenn schon kein Verbrechen für Abwechslung sorgt, ein paar Worte mit den eher seltenen Gästen aus anderen Ländern wechseln zu können – über die europäische Flüchtlingsfrage, die Kanzlerin und Borussia Dortmund. Satelliten-TV in der kleinen Strandbaracke der Security und viel Zeit bildet!

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La Sagesse Beach

Ein Nachmittagsbad an diesem schönen Strand war mein letzter Stopp auf Grenada, bevor ich zum Flughafen weiterfuhr und mit einem Abendflug die Insel wechselte.

(Fotos vom Februar 2019)

 

Grenada – Kakao, Gewürze und Rum

Abstecher in Grenadas Landwirtschaft und Industrie

In Grenada befinden sich eine Reihe kleiner Betriebe, in denen Kakao, Gewürze und Rum hergestellt werden. Es sind keine große Plantagen, die sich nur auf einen Teil der Produktionskette spezialisiert haben und dann das halbfertige Produkt zur Weiterverarbeitung in große Fabriken exportieren, sondern eher Familienbetriebe, die von der Ernte der Rohstoffe bis zum Verkauf der fertigen Ware an den Endkunden im eigenen Shop die ganze Herstellung unter einem Dach durchführen.

Zwei dieser Betriebe zur Herstellung von Kakaopulver und Schokolade finden sich nahe beieinander im Norden Grenadas – die Grenada Chocolate Company und das Belmont Estate.

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Eingang zum Belmont Estate
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Auf dem Gelände des Belmont Estate

Letzteres ist zwar auch eine Touristenattraktion, die neben der Herstellung von Schokolade einiges Drumherum auf dem weitläufigen eigenen Gelände zur Unterhaltung der Besucher anbietet, aber dennoch kann man auch hier während einer Führung die ganze Verarbeitungskette bis zur fertigen Schokolade beobachten.

Die folgenden Fotos sind teilweise in dem einen, teilweise dem anderen Betrieb gemacht.

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Kakaobaum mit Kakaofrüchten

Die ursprüngliche Herkunft des Kakaobaums sind die Regenwälder Südamerikas. Von dort wurde er aber in alle tropischen Länder Mittelamerikas, Afrikas und Asiens gebracht und wird dort hauptsächlich auf Plantagen angepflanzt.

Der Baum ist ein Unterholzgewächs, das sich nur auf Böden mit verrottendem Laub und vor allem im Schatten anderer größerer Bäume wohlfühlt, die man auch „Kakaomütter“ nennt. Das Prinzip, auch auf Plantagen den Kakaobaum nur in Kombination mit anderen schattenspendenden Gewächsen anzupflanzen, haben schon die Maya entdeckt und eingesetzt.

Der Baum treibt viele Tausende kleiner Blüten, von denen aber nur ein sehr geringer Teil bestäubt wird und sich zu einer vollen Kakaofrucht entwickelt, die am Stamm des Kakaobaums wächst und mit Macheten oder langen Lanzen für den oberen Bereich des Baums geerntet wird.

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Schattenspendende Pflanzen (hier Bananen), unter denen der Kakaobaum wächst

Von den zwei Hauptsorten des Kakao – Criollo und Forastero – ist der Criollo die ursprüngliche Sorte, die aus Südamerika stammt. Sie gilt als die bessere, geschmacksintensivere Art, aus der die meisten teureren Edelschokoladen hergestellt werden. Sie wird auch auf Grenada, wie auch auf den meisten karibischen Inseln und in Mittelamerika, angebaut.

Die etwa 20 Zentimeter lange Frucht wird aufgeschnitten, und in ihrem Inneren befinden sich dicht gepackt etwa 40 Samen von ca. zwei Zentimeter Größe, die von einem weißen weichen Fruchtfleisch umhüllt sind.

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Kakaofrucht mit den von weißem Fruchtfleisch umgebenen Kakaosamen

In manchen Ländern wird aus diesem Fruchtfleisch ein süß und fruchtig schmeckendes Getränk hergestellt. Man kann es auch von den Samenkernen im Inneren, den Kakaobohnen, die härter sind und schon eine leicht bräunliche Farbe haben, lutschen und wird dabei schon einen milden Kakaogeschmack bemerken, der aber noch weit vom intensiven Geschmack des späteren Produkts entfernt ist.

Der erste Schritt der weiteren Verarbeitung der Kakaobohnen ist die Fermentation. Dazu werden die Samen mitsamt dem weißen Fruchfleisch aus der Schale gelöst und in Holztröge gegeben, die im Belmont Estate wie eine Reihe kleiner Holzställe aussehen.

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Fermentierungshalle

Die Samen werden dann mit Blättern – meist sind es Bananenblätter – zugedeckt und für etwa fünf Tage sich selbst überlassen. Gelegentlich werden die Blätter angehoben und die Bohnen werden neu durchgemischt.

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Fermentierung der Kakaosamen unter Bananenblättern

Die natürliche karibische Wärme treibt den Fermentationsprozess an, und unter der Blätterdecke entwickeln sich mit weit über 50 Grad Saunatemperaturen. Das Fruchtfleisch gärt dabei zu Alkohol und Essig und löst sich langsam von den Bohnen, die selbst kurz keimen, aber durch die große Wärme kurz darauf wieder absterben.

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Kakaosamen, von denen sich während der Fermentierung inzwischen das weiße Fruchtfleisch gelöst hat
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Trocknungshalle

Nach dem Fermentieren enthalten die Kakaobohnen noch zu viel Feuchtigkeit. Um sie haltbar zu machen und vor Schimmelbefall zu schützen, müssen die Bohnen im nächsten Schritt getrocknet werden. Das Trocknen der Bohnen erfolgt entweder natürlich unter der Sonne oder indem man mit Treibhäusern und heißer Luft nachhilft. Dementsprechend dauert das Trocknen zwischen zwei Tagen und zwei Wochen.

Damit jede Bohne genug Wärme für den Trocknungsprozess erhält, wird der flach ausgelegte Bohnenteppich mehrfach am Tag umgerührt – entweder mit einfachen Hilfsmitteln…

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Trocknung der Kakaobohnen

…oder indem eher traditional ein kleines Tänzchen auf den Kakaobohnen aufgeführt wird. Die im Freien getrockneten Bohnen werden – vor allem in der Karibik, wo gelegentliche heftige Regenschauer niedergehen können, – auf Tischen ausgebreitet, die auf Schienen und Rollen gelagert sind und damit im Falle eines Falles schnell unter ein schützendes Regendach geschoben werden können.

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Trocknung im Freien

Nach dem Trocknen hat die Kakaobohne eine kräftigere braune Farbe angenommen und der Kakaogeschmack ist schon etwas intensiver geworden.

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Getrocknete Kakaobohnen

Die Bohnen haben begonnen, in kleinere spröde Splitter zu zerbrechen, die noch von einer dünnen harten Schale umgeben sind.

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Einzelne Kakaobohne nach der Trocknung

Um das volle Kakaoaroma zu entfalten und die Trocknung noch weiter zu treiben, werden die Bohnen nun bei über 100 Grad geröstet. Die Röstung ist manchmal mit dem Aufbrechen der Schalen kombiniert; die Schalen der Kakaobohnen werden dabei zwischen Walzen zerbrochen und mit strömender Luft vom eigentlichen Kakaobohnenkern weggeblasen.

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Kakaoröster, über 50 Jahre alt und aus Deutschland stammend

Das Ergebnis sind viele kleine Kakaosplitter, der sogenannte Kakaobruch, die anschließend zwischen Walzen gemahlen werden und sich dabei durch die Reibungswärme verflüssigen. Gleichzeitig werden durch die mechanische Beanspruchung und die Wärme die Zellwände der Kakaostücke zerrissen und die Kakaobutter, das eigene Fett des Kakaos, tritt aus und vermischt sich mit dem flüssigen Kakao.

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Mahlen des Kakaobruchs nach der Röstung. Die aus den Zellen gepresste Kakaobutter und die Reibungswärme verflüssigen die ganze Kakaomasse.

Die Kakaobutter, die immerhin etwa 50% der ganzen Masse ausmacht, kann größtenteils durch ein Sieb aus der Kakaomasse herausgepresst werden. Sie wird für die Herstellung weißer Schokolade oder auch in kosmetischen und pharmazeutischen Produkten verwendet.

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Kakaobutter

Übrig bleibt der Kakaopresskuchen, der zu Kakaopulver zermahlen oder durch Mischung mit anderen Zutaten zu Schokolade verarbeitet wird.

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Fertiges Kakaopulver und Schokolade zum Verkauf

Eine Spezialität auf Grenada ist die Verwendung von Muskat in einigen Schokoladensorten. Grenada ist neben Indonesien weltweit der größte Exporteur von Muskatnuss, die das wichtigste Wirtschaftsgut des Landes ist.

Die Muskatnuss wächst an Bäumen und die Früchte, welche den Kern – die eigentliche Nuss – einhüllen, sehen Aprikosen recht ähnlich. Der Kern ist von einem roten Geflecht, dem Samenmantel, umgeben, der auch „Macis“ oder „Muskatblüte“ genannt wird.

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Muskatnuss

Macis wird ebenso wie die Nuss als Gewürz verarbeitet, hat aber einen weniger intensiven Geschmack als die abgeriebene Nuss. Selbst das orange Fruchtfleisch wird zum Beispiel für Gelees und Marmelade genutzt und hat einen noch milderen Muskatgeschmack.

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Macis, der Samenmantel des Muskatnusskerns

Es gibt mehrere Verarbeitungsbetriebe für Muskatnuss auf Grenada, eine der größten ist die Grenada Co-operative Nutmeg Association in Guyave, an der ich leider nur am späteren Abend vorbeigefahren bin, ohne sie besichtigen zu können.

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Grenada Co-operative Nutmeg Association, ein Verarbeitungsbetrieb für Muskatnuss in Guyave
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Zimtbaum

Ein weiteres Gewürz, das eine große Rolle auf Grenada spielt und das der Insel zusammen mit der Muskatnuss zum Zusatznamen „Gewürzinsel“ verholfen hat, ist Zimt.

Zumindest unter allen karibischen und sogar allen Ländern des amerikanischen Doppelkontintents ist Grenada der führende Zimtexporteur, wird aber von einigen asiatischen Ländern wie Indonesien und China um mehr als das tausendfache der Exportmenge übertroffen.

Zimt ist im Wesentlichen einfach die getrocknete Rinde des Zimtbaums. Sie wird in Handarbeit abgeschält und in längeren Stangen mehrschichtig zusammengerollt. Nach der Trocknung werden die Zimtstangen entweder so wie sie sind oder in zerriebener Form in den Handel gebracht.

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Zimt ist die abgeschälte Rinde des Zimtbaums

Bricht man die Blätter des Zimtbaums durch, so entfaltet schon der Pflanzensaft an der Bruchstelle ein intensives Zimtaroma.

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Zimtblatt

Ein paar Kilometer weiter östlich vom Belmont Estate und fast an der Atlantikküste liegt die River Antoine Rum Distillery, eine von mehreren Rumdestillerien auf Grenada, die aber von sich behauptet, nicht nur die älteste auf Grenada, sondern mit ihrer Gründung im Jahre 1785 sogar die älteste der ganzen Karibik zu sein. Nun ja, ich habe eine Flasche Rum von einer Destillerie auf Barbados, auf deren Label behauptet wird, sie sei die älteste der Welt.

Wie dem auch sei, die River Antoine Distillery ist ziemlich alt – und jedenfalls die älteste auf Grenada – und vor allem wird in ihr fast noch so produziert wie vor 200 Jahren.

Es beginnt mit einem See, dem Lake Antoine, der weniger als einen Kilometer entfernt liegt und der Destillerie gehört, so jedenfalls die Aussage des Tourguides. Der kleine versteckte See ist neben dem Grand Etang Lake der zweite Kratersee Grenadas.

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Lake Antoine

Sein Wasser ist aber nicht, wie bei der Bierherstellung, Teil des endgültigen Rumgetränks, sondern dient nur dem Antrieb eines Wasserrads, das sich auf dem Gelände der etwas tiefer liegenden Destillerie befindet. Es soll, nach Aussage der Destillerie, die älteste Wassermühle der Karibik sein, die noch in Betrieb ist, eine Behauptung, die ich nicht ohne Argwohn mal so stehen lasse.

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Wassermühle zum Antrieb der Zuckerrohrpresse
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Zuckerrohrpresse

Jedenfalls funktioniert die Mühle, ist schön anzuschauen und erfüllt den für den ganzen Produktionsprozess grundlegenden Zweck, über verbundene Zahnräder und Wellen eine Presse anzutreiben.

Ausgepresst wird hier Zuckerrohr, denn im Wesentlichen ist Rum gegorener und hochdestillierter Zuckersaft.

Zuckerrohr wächst in etwa drei bis sechs Meter hohen Stangen. Der Ursprung der Zuckerrohrpflanze liegt nicht in der Karibik, sondern in Ostasien, wo sie schon im 5. Jahrhundert v. Chr. als Nutzpflanze kultiviert wurde. Aber bereits Christoph Kolumbus brachte 1493 die Pflanze mit in die Karibik, wo sie sich schnell ausgebreitet hat.

Der Rohrzucker wurde schnell zum wichtigsten Anbau- und Exportprodukt der Karibik und war nicht zuletzt ein Treiber für den Handel von Sklaven, die für die Ernte und Verarbeitung von Zuckerrohr von Westafrika in die Karibikkolonien der europäischen Seemächte verschleppt wurden.

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Zuckerrohr auf dem Weg in die Presse

Trotz der Fokussierung der Karibik auf die Zuckerproduktion blieb das Produkt in den frühen Jahren für den europäischen Normalverbraucher ein unerschwingliches Luxusgut, bis sich mit der Züchtung der Zuckerrübe eine alternative und auch im kühlen Europa anbaufähige Zuckerquelle auftat.

In der River Antoine Rum Distillery wird das geerntete Zuckerrohr über ein Förderband in großen Mengen der Presse zugeführt. Neben dem Zuckersaft bleibt dabei das faserige Stroh der Zuckerrohrpflanze, die sogenannte Bagasse, zurück, die etwa ein Drittel der ursprünglichen Masse ausmacht.

Die Bagasse wird auf Halden auf dem Gelände der Brennerei gebracht und ist keinesfalls nutzloser Abfall. Sie kann nach Vermischung mit anderen Produkten als Viehfutter verwendet werden oder man kann Pappe und Baumaterialien aus ihr fertigen.

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Bagasse, die Reste des ausgepressten Zuckerrohrs
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Ausgepresster Zuckersaft

In den Rumbrennereien ist die wichtigste Verwendung der Bagasse jedoch einfach ihre Verbrennung als Energielieferant für das Einkochen des Zuckersafts und für den späteren Destillationsprozess.

Der Zuckersaft fließt aus der Presse ab und wird großen Behältern zugeführt. Beim sogenannten Rhum Agricole, der hauptsächlich auf den französischen Karabikinseln wie Martinique und Guadeloupe produziert wird, wird dieser Saft sofort der Gärung und Destillation zugeführt.

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Kochen des Zuckersafts zur Herstellung von Melasse

In praktisch allen anderen Ländern, unter anderem eben auch Grenada, erfolgt jedoch noch ein Zwischenschritt, bei dem der Zuckersaft langsam eingekocht und ihm dabei das Wasser entzogen wird.

Der Vorgang startet in einem Kessel bei niedrigen Temperaturen und geht dabei über mehrere immer wärmer werdende Kessel zu einem heißen Kessel über. Der Saft wird dabei mühsam von Hand mit großen Schöpfkellen von einem Behälter zum nächsten befördert. Dieser langsame Kochprozess ist wichtig, um zu verhindern, dass der Zucker karamellisiert und damit ein unerwünschtes Röstaroma annimmt.

Das Ergebnis dieses Kochprozesses ist Melasse, ein dickflüssiger Sirup, der auch industriell hergestellt wird und für verschiedene Zwecke, zum Beispiel als Futtermittel in der Viehwirtschaft, eingesetzt werden kann.

Bei der Rumherstellung ist Melasse der Ausgangspunkt des Fermentations- oder Gärungsprozesses. In der River Antoine Distillery wird die eingekochte Flüssigkeit dazu in große Betonbottiche gebracht, wo sie über einen Zeitraum von ein paar Tagen bis zu zwei Wochen die alkoholische Gärung durchläuft.

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Fermentierung (alkoholische Gärung) der Melasse

Bei den ablaufenden biochemischen Prozessen dieser natürlichen Fermentierung wandeln Hefeorganismen den Zucker der Flüssigkeit in Alkohol und Kohlendioxid um. Die Fermentierung ist der entscheidende Vorgang der ganzen Rumproduktion und die Feinheiten dieses Prozesses, der in den verschiedenen Brennereien unterschiedlich gesteuert und beeinflusst wird, entscheiden über die eigene Handschrift des späteren fertigen Rums.

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Gärung der Melasse in offenen Tanks

Der gegorene Zuckerwein hat erst nur einen niedrigen Alkoholgehalt von knapp 5% und wird nun destilliert. Dabei wird der leichtflüchtigere Alkohol verdampft und vom Restwasser getrennt, bevor er auf der anderen Seite eines Kolbens wieder kondensiert. Im Ergebnis ist der Alkoholgehalt danach auf etwa 75% gestiegen.

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Destillation zum endgültigen weißen Rum

Der Alkoholgehalt des Rums wird abschließend streng überprüft. Traditionell produziert die River Antoine Rum Distillery einen Rum mit 75% Alkoholgehalt. Jedoch gibt es seit einigen Jahren insbesondere für Touristen, die eine Flasche Rum in die Heimat mitnehmen möchten, eine Variante mit 69% Alkohol, da alkoholische Getränke mit 70% und mehr als brennbare Flüssigkeiten nicht mehr in Flugzeugen mitgeführt werden dürfen.

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Messung des Alkoholgehalts

Der größte Teil der Produktion aus der Brennerei wird jedoch als weißer Rum an den heimischen Markt in Grenada verkauft. Die meisten Rumbrennereien in der Karibik unterziehen den Rum danach noch einem Reifungsprozess, bei dem er mehrere Jahre, teilweise bis zu 25 Jahre, in Fässern ausgebaut wird. Es werden in der Regel Eichenfässer verwendet, die zuvor schon für andere Zwecke wie die Herstellung von Whiskey, Bourbon oder Cognac genutzt wurden. Der Rum nimmt damit – und auch durch Mischung verschiedener Sorten und Jahrgänge – seinen ganz eigenen Geschmack und neue Farbnuancen an. Aus dem weißen Rum ist damit brauner Rum geworden.

(Fotos vom Februar 2019)