Port Elizabeth und die Admiralty Bay sind sicherlich der Mittelpunkt von Bequia. Aber es gibt überall verstreut weitere Sehenswürdigkeiten und Strände, die einen Besuch wert sind. Da die Insel nicht groß ist, hat man in zwei, drei Tagen alles gesehen.
Von Port Elizabeth aus gibt es im Wesentlichen zwei Richtungen, in die man die Insel erforschen kann: Nordosten und Südwesten. In beiden Richtungen gelangt man an eines der von Port Elizabeth ungefähr gleich weit entfernten Enden Bequia’s.
Atlantische Ostküste Bequia’s. Die beiden unbewohnten Grenadinen Battowia und Baliceaux im Hintergrund.
Eine Straße in nordöstliche Richtung führt einmal quer von der Karibikseite über die Insel zur Atlantikseite.
Spring Bay und Park Bay an der Ostküste
Eine Reihe von kleinen Buchten – Spring Bay, Industry Bay, Park Bay und weitere – säumt den weiteren Küstenverlauf der Straße.
Industry Bay
Die Ostküste ist zum Teil felsig, und selbst wenn Sandstrände vorhanden sind, sind sie mit einer teilweise dicken Schicht aus Seegras bedeckt, ein Phänomen, das für die meisten Atlantikküsten in der Ostkaribik kennzeichnend ist. Manchmal sieht man auf dem Meer dicke Teppiche aus Seegras schwimmen. Der häufig raue Passatwind macht das Baden an den offenen Küstenabschnitten zusätzlich schwierig bis unmöglich.
Park Bay. Links am Rand das Old Hegg Turtle Sanctuary.
Fast am Nordostende von Bequia gelangt man zum Old Hegg Turtle Sanctuary, einer Art Tierheim zum Schutz und zur Aufzucht von Meeresschildkröten.
Auf dem Gelände des Old Hegg Turtle Sanctuary
Es wird privat betrieben und nur von Spenden und den Eintrittsgeldern finanziert, die man als Besucher der Station bezahlt. Ein ehemaliger einheimischer Fischer und Taucher leitet den Betrieb und führt auch selbst die Führungen durch, in denen er von den vom Aussterben bedrohten Schildkröten und der Geschichte und dem Zweck des Tierheims erzählt.
Echte Karettschildkröte (Hawksbill Turtle)
Im Wesentlichen besteht die Station aus einer Halle, in der sich mehrere Wassertanks befinden, in denen Schildkröten, getrennt nach Altersgruppen, für mehrere Jahre leben. Es geht darum, ihnen für die erste Zeit nach dem Schlüpfen aus den am Strand abgelegten Eiern eine sichere Umgebung zur Verfügung zu stellen, bevor sie nach ca. vier Jahren ins offene Meer entlassen werden. Die ersten Wochen und Monaten sind für Meeresschildkröten die gefährlichsten, und um ihren Fortbestand zu sichern, muss vor allem diese Zeit wohlbehalten überbrückt werden.
Die Schildkrötenart, die hier aufgezogen wird, ist die Echte Karettschildkröte. Im Englischen heißt sie Hawksbill Turtle, da ihr Kopf tatsächlich ein wenig an den Schnabel eines Greifvogels erinnert. Der Panzer der Karettschildkröte liefert das wertvolle Schildpatt, das zur Herstellung von Schmuck verwendet wird und der Grund dafür ist, warum die Schildkröten über Jahrhunderte gejagt wurden. Dadurch und durch die Verbauung von Küstenabschnitten, welche die Schildkröten zur Eiablage nutzen, ist die Karettschildkröte vom Aussterben bedroht und steht unter strengem Artenschutz. Der Handel mit Schildpatt und die Einfuhr zum Beispiel auch nach Deutschland ist heute strikt verboten.
Die Karettschildkröte wird 30 bis 40 Jahre alt und ist auf der ganzen Welt in den Korallenriffen, in Mangrovensümpfen und Flussmündungen sowie im offenen Meer der Tropenregionen verbreitet. Manche Strände der Karibik gehören zu ihren wichtigsten Eiablageplätzen.
Friendship Bay mit Petit Nevis und Isle A Quatre
Ein zweites kleineres touristisches Zentrum befindet sich an der Friendship Bay an der Atlantikküste Bequia’s südlich der Admiralty Bay.
Friendship Bay Beach
Die Bucht ist in Richtung Osten von einer großen Landzunge umfasst, so dass der Atlantik hier seine normalerweise deutlich spürbare Wucht nicht entfalten kann.
Friendship Bay
Der Mount Pleasant ist mit 268 Metern die höchste Erhebung auf Bequia. Er bietet die beste Aussicht über die Insel und vor allem die Buchten und die benachbarten Inseln von Bequia.
Blick auf Mustique im Hintergrund
Vor allem in südlicher Richtung hat man eine großartige Sicht über die Grenadinen, ein Paradies für Segler und Taucher.
Aussicht vom Mount Pleasant auf die Inseln der Grenadinen. Petit Nevis und Isle A Quatre im Vordergrund, Mustique im Hintergrund.
Die meisten dieser kleinen Inseln sind unbewohnt, so auch die unmittelbaren Nachbarn Petit Nevis und Isle A Quatre und die etwas weiter entfernten Inseln Battowia und Baliceaux.
Aussicht vom Mount Pleasant auf Battowia und Baliceaux
Manche dieser kleinen Eilande sind im Privatbesitz und stehen teilweise zum Verkauf an. Baliceaux ist zum Beispiel für 30 Millionen Euro zu haben.
Blick auf Friendship, Petit Nevis und Isle A Quatre
Selbst Mustique, eine bewohnte und mit vielen Luxusvillen bebaute Grenadineninsel wird angeblich verkauft. Sie wurde Ende der 50-er Jahre als völlig unentwickelte Insel für einen Schnäppchenpreis von 45.000 Pfund privat erworben, und wandelte sich dann zu einer äußerst luxuriösen Jetset-Insel, die von vielen Prominenten und Künstlern besucht wird – von Mick Jagger über David Bowie bis zu Prinzessin Margaret. Villen auf der Insel sind heute für weniger als 10.000 € pro Woche kaum zu mieten und viele sind erheblich teurer. Den Preis für den Kauf so einer Insel kann man kaum erahnen.
Battowia und Baliceaux
Von der Friendship Bay verläuft die Straße zur Südwestspitze Bequia’s. Sie führt vorbei am Flughafen und endet an der Adams Bay, an der sich ein Hotel mit einer Bar befindet, die ein Stück in den Atlantik hinein gebaut ist und eine schöne Aussicht über die Bucht bietet.
Adams Bay
Ein kleiner Bootsanleger neben der Bar ermöglicht Ausflüge in die Inselwelt der Grenadinen oder auch Pendelfahrten nach Port Elizabeth.
Adams Bay Beach am Südwestende von Bequia
Am nächsten Tag ging es auf dem gleichen Weg via Fähre von Port Elizabeth zurück nach Kingstown auf St. Vincent und von dort mit dem Taxi zum internationalen Flughafen – einem recht neuen und modernen Flughafen, der sich den Luxus leistet, etwa acht däumchendrehende Beamte an der Sicherheitskontrolle für ca. einen Fluggast pro Stunde zu beschäftigen. Auf der Insel, die das nächste Ziel der Ostkaribik-Reise war, sah das ganz anders aus.
Blick über die Adams Bay nach Petit Nevis und Isle A Quatre
Wie auch das nördlich gelegene St. Lucia und das südliche Grenada ist St. Vincent and the Grenadines ein unabhängiger karibischer Kleinstaat. Er gehört wie die beiden Nachbarn zum britischen Commonwealth, hat Englisch als offizielle Landessprache und benutzt als Währung ebenfalls den Ostkaribischen Dollar. Mit ca. 120.000 Einwohnern hat St. Vincent eine nur wenig größere Bevölkerungszahl als Grenada und eine etwas kleinere als St. Lucia. Auch die Landesfläche ist vergleichbar mit den beiden Nachbarstaaten und setzt sich aus der Hauptinsel St. Vincent und 32 kleineren, teilweise bewohnten Inseln, den Grenadinen, zusammen. Ein kleiner südlicher Teil der Grenadinen gehört zu Grenada.
Hafen von St. Vincent’s Hauptstadt Kingstown
Die Geschichte St. Vincent’s ist wie bei allen ostkaribischen Staaten vom Kolonialismus geprägt. Die ursprüngliche Bevölkerung, die Arawak und später die Kariben, wurde im 17. Jahrhundert von den sich um die Insel streitenden Franzosen und Briten verdrängt, nachdem sie Christoph Kolumbus 1498 entdeckt und nach dem Heiligen Vinzenz von Valencia benannt hatte, der am Tag der Entdeckung Namenstag hatte.
Die Ursprünge der heutigen Bevölkerung liegen wie auf allen ostkaribischen Inseln im transatlantischen Sklavenhandel, der Sklaven aus Afrika auf die Zuckerrohrplantagen der Inseln zur Zwangsarbeit gebracht hatte. Nach der Befreiung der Sklaven sind diese auf den Inseln geblieben und stellen heute den größten Teil der Bevölkerung St. Vincent’s. Hinzu kommen spätere Arbeiter aus Indien und ein weißer Anteil aus den kolonialen Mutterländern, hauptsächlich aus Großbritannien.
Kingstown an der Südküste von St. Vincent’s Hauptinsel
Nach St. Vincent gelangt man von den Nachbarstaaten aus nur schwer mit der Fähre, obwohl es in nur ca. 40-50 Kilometern Entfernung von St. Lucia und Grenada liegt. Es gibt keine regulären Fährverbindungen, so dass ein innerkaribischer Flug die bessere und oft die einzige Möglichkeit ist. Der internationale Flughafen St. Vincent’s liegt an der Ostküste und man gelangt von dort in etwa 45 Minuten mit dem Bus oder Taxi in die Hauptstadt Kingstown.
Fähreinfahrt nach Port Elizabeth auf Bequia
Kingstown liegt im dichter besiedelten Süden der Hauptinsel St. Vincent. Der Norden wird vom noch aktiven Vulkan Soufrière geprägt, der mit über 1.200 Metern Höhe der höchste Berg St. Vincent’s ist. Sein letzter Ausbruch war 1979, dennoch sind heute Wanderungen auf den Kraterrand und sogar bis zum im Inneren des Kraters liegenden See möglich.
An den Ufern im Norden St. Vincent’s wurde übrigens auch „Fluch der Karibik“ gedreht.
Hafen von Port Elizabeth
Von Kingstown legt die Fähre nach Bequia ab, der größten von St. Vincent’s Grenadinen-Inseln, die nach einer etwa einstündigen Fährüberfahrt erreicht wird. Die Insel hat zwar auch einen kleinen Flughafen, der von St. Lucia oder Barbados angeflogen wird, aber die direkten Flüge sind wesentlich teurer als der Flug auf die Hauptinsel und dann die Weiterfahrt mit der Fähre.
Obwohl die Fähre nur eine Lücke von 12 Kilometern zwischen St. Vincent und Bequia überbrückt, kann es selbst bei schönem Wetter zu heftigem Seegang kommen. Immerhin bewegt man sich auf dem offenen Atlantik, und freies Stehen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren, war auf den Bequia Express Fähren, die zwischen Kingstown und Bequia pendeln, fast unmöglich.
Blick vom Hafen über die Admiralty Bay in Richtung Süden
Bequia – „Beckwä“ gesprochen, was in der Sprache der Arawak, der Ureinwohner, „Insel der Wolken“ bedeutet – hat nur etwa 5.000 Einwohner, wovon knapp 1.000 in Port Elizabeth, dem Hauptort und Hafen der Insel, leben. Hier legen die Fähren aus Kingstown an und gleichzeitig ist der Ort Hafen für zahlreiche Segelschiffe und Yachten, die von hier für einen Segeltörn durch die Inselwelt der Grenadinen ablegen oder auch nur einen Zwischenstopp bei einer Rundreise durch die Karibik einlegen.
Hafenbereich von Port Elizabeth
Aber auch große Kreuzfahrtschiffe machen Halt. Anlegen können sie an dem kleinen Pier von Port Elizabeth nicht, daher gehen sie weiter draußen in der Bucht, der Admiralty Bay, vor Anker und die Touristen werden in der Regel in getakteten Schüben mit kleineren Landebooten ans Ufer gebracht.
Admiralty Bay
Der sonst eher verschlafene Ort erwacht dann zu geschäftigem Leben, indem rasch viele Verkaufsstände mit Früchten, Getränken, Schmuck und anderen Souvenirs an der Promenadenstraße von Port Elizabeth aufgebaut werden. Das geht ein paar Stunden, bis das Kreuzfahrtschiff den Anker lichtet und die Bucht wieder verlässt.
Admiralty Bay vor der karibischen See
Ein paar Restaurants und Bars säumen das Ufer von Port Elizabeth. Daneben gibt es einen Supermarkt, eine Tankstelle, eine Bankfiliale, ein Zollamt, ein Krankenhaus, einen Buchladen, mindestens zwei Kirchen, eine Schule, natürlich ein Geschäft für Segelbedarf und ein paar Gästehäuser und Hotels.
Port Elizabeth
Bequia hat eine lange Tradition des Walfangs und des Walfangschiffbaus. Tatsächlich ist die Insel weltweit einer der wenigen Orte, in denen Walfang, wenn auch mit einer strengen Limitierung, heute noch offiziell erlaubt ist.
Blick über die Admiralty Bay vom Ufer in Port Elizabeth
Dabei dürfen nur traditionelle Methoden des Walfang zu Einsatz kommen, bei denen Harpunen von Hand von offenen Segelbooten aus geworfen werden müssen. Das Walfleisch darf nur für den Eigenbedarf auf Bequia verbraucht und nicht exportiert werden. Höchstens vier Buckelwale pro Jahr dürfen gefangen werden, aber diese Zahl wird schon seit einigen Jahr nicht mehr erreicht.
Neben Bequia haben nur zwei oder drei Regionen an den Küsten der Nordpolarmeere, vor allem im Norden Sibiriens und in Alaska, dieses Walfangsonderrecht. Es muss nachgewiesen sein, dass Wale tatsächlich in der Vergangenheit die mehr oder weniger alleinige Existenzgrundlage dieser Völker gewesen und tief in ihrer kulturellen Tradition verankert sind. In den Kommissionen, welche die Verlängerung dieses Rechts alle paar Jahre bewilligen, wird dies für Bequia allerdings regelmäßig angezweifelt, da es als fragwürdig gilt, ob das Leben der Urbevölkerung von Bequia tatsächlich gänzlich vom Walfang abhängig war und er identitätsstiftende Bedeutung für sie hatte. Trotzdem fand die Verlängerung bis heute immer statt. Dem Walbestand schadet es kaum, da Bequia immer weniger von seinem Sonderrecht Gebrauch macht.
Admiralty Bay mit dem Hamilton Fort auf dem kleinen Hügel rechts
An der nordwestlichen Spitze der Admiralty Bay gelangt man zum Hamilton Fort, das bis auf ein paar Kanonen kaum mehr an eine Festung erinnert. Aber der Hügel, auf dem sie sich befindet, bietet eine schöne Aussicht über Port Elizabeth und die Admiralty Bay.
Port Elizabeth und Admiralty Bay vom Hamilton Fort aus gesehen
Ebenso hat man einen guten Blick über das südwestliche Ende von Bequia auf der gegenüberliegenden Seite der Admiralty Bay, wo die Insel immer schmaler wird und am Ende in ein paar Miniinseln zerfällt.
Südwestende von Bequia vom Hamilton Fort aus gesehen
Die Hügel auf Bequia sind nicht allzu hoch, dafür aber einfach zu erreichen, so dass sich immer wieder schöne Aussichten über Port Elizabeth und die Bucht bieten.
Blick auf die Admiralty Bay von den Hügeln über Port Elizabeth
Da die Admiralty Bay Richtung Westen liegt, ist sie auch für fantastische Sonnenuntergänge gut – im Winter, als ich dort war, über den Klippen am Südwestende der Insel, im Sommer aber direkt über der karibischen See.
Admiralty Bay und Südwestende Bequias
Auf Bequia kann es, wie überall in der Karibik, auch einmal heftig regnen. Doch meistens ist es nur kurz und der niedergegangene Regen reicht nicht aus, um eine befriedigende Süßwasserversorgung der Insel zu gewährleisten. Im Unterschied zur Hauptinsel St. Vincent und auch zu den Nachbarn St. Lucia und Grenada sind die Berge auf Bequia für ausgiebigere Regenphasen nicht hoch genug. Die höchste Erhebung misst nur 268 Meter. Daher mahnen Hotels die Gäste meistens zur Sparsamkeit beim Wasserverbrauch.
Regenschauer auf Bequia und ein Kolibri, dem der Regen die Frisur ruiniert hat
Vom Hafen von Port Elizabeth aus führt der Belmont Walkway als schmaler Spazierweg in südlicher Richtung immer am Ufer der Admiralty Bay entlang.
Belmont Walkway an der Uferpromenade von Port Elizabeth
Er führt zu Bequias bekanntestem Strand, dem Princess Margaret Beach. Ursprünglich hieß er Tony Gibbons Beach, aber nachdem die englische Prinzessin Margaret sich einmal entschied, hier ein Bad zu nehmen, wurde der Strand schnell umbenannt. Man scheint sich der dem Commonwealth vorstehenden Königsfamilie doch recht verbunden zu fühlen. Auch Port Elizabeth selbst ist nach der Queen Mother von Königin Elizabeth II. benannt.
Princess Margaret Beach
Weiter südlich vom Princess Margaret Beach schließt sich durch einen Felsvorsprung getrennt der nicht minder schöne Lower Bay Beach an, benannt nach einem kleinen „Vorort“ von Port Elizabeth.
Lower Bay Beach
Obwohl im Februar Hochsaison ist, waren die beiden Strände ganz und gar nicht überlaufen. Vergleichsweise wenige Touristen verirren sich nach Bequia und nur die Kreuzfahrtbesucher sorgen ab und zu für kurzzeitig belebtere Strände.
Lower Bay Beach und Admiralty Bay
Beide Strände liegen auf der karibischen Westseite der Insel, die vor dem Passat des Atlantik geschützt ist. Die umgebende Bucht sorgt zusätzlich für einen ruhigen Wellengang und verwandelt die Strände in wahre Karibik wie aus dem Bilderbuch.
„Wieso gerade Ostkaribik?“, wurde ich ein paar Mal gefragt. „Eigentlich wollte ich auf die Seychellen, bin aber ins falsche Flugzeug gestiegen“, war dann meistens meine Antwort.
Stimmt natürlich nicht; angesichts heutiger Sicherheitsvorkehrungen an Flughäfen würde es einige kriminelle Raffinesse erfordern, wollte man erfolgreich ins falsche Flugzeug steigen. Genaugenommen stimmt die Antwort nur zur Hälfte. Es gab tatsächlich einen primären Plan, auf die Seychellen zu reisen, aber diverse Hinweise auf schwüles Klima, mehr Regen und Schwemmen von Seegras in der Winterzeit haben mir den Plan leicht madig gemacht, oder ihn zumindest als suboptimal einstufen lassen. Die Sommermonate gelten gemeinhin als angenehmere Reisezeit für die Seychellen, wie ich dann erfahren haben. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Da ich aber bei einigermaßen tropischen Inseln bleiben wollte, musste eine vergleichbare Alternative her. Der Winter ist die ideale Jahreszeit für die Karibik im Ganzen; es ist dann trockener als in den Sommermonaten und die Bedrohung durch Hurrikans, deren atlantische Brutstätten praktisch direkt vor der Tür liegen, und kleinere Stürme ist deutlich geringer. Von den vielen Optionen, die sich in der Karibik auftun, sind die Inseln der Kleinen Antillen am ehesten für ein Inselhopping, wie ich es auch für die Seychellen vorgesehen hatte, geeignet.
Die Details waren dann mehr eine Frage des Zufalls und insbesondere der Planung der An- und Rückreise und geeigneter Verbindungen zwischen den Inseln. Wenn man nicht gerade mit dem eigenen Boot unterwegs ist, sind Flüge hierbei die einzige einigermaßen flexible Option. Überraschenderweise ist es mit Fährverbindungen zwischen den Inseln erstaunlich schlecht bestellt.
Damit die ganze Reise auch hinreichend kompliziert und mühselig wird, fiel die Wahl also auf vier etwa 13.000 Kilometer von den Seychellen entfernte Inseln, die im südöstlichen Teil der Karibik liegen – Grenada, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, und Barbados.
Karibik
Diese Inseln gehören zu den sogenannten „Windward Islands“ (etwa Martinique bis Grenada), die zusammen mit den weiter nördlich gelegenen „Leeward Islands“ (etwa Anguilla bis Dominica) wiederum Teil der „Inseln über dem Winde“ sind, die sich von den im Wesentlichen aus Aruba, Bonaire und Curaçao bestehenden „Inseln unter dem Winde“ („Leeward Antilles“) abgrenzen, die sich ein gutes Stück weiter westlich über der Nordküste Venezuelas befinden. Nimmt man noch das am südlichsten gelegene Trinidad und Tobago hinzu, so sind die „Kleinen Antillen“ komplett. Den Rest der Karibik machen die „Großen Antillen“ (mit Kuba, Jamaica, Haiti und der Dominikanischen Republik sowie Puerto Rico), die Bahamas und die Turks- und Caicosinseln aus.
Dieses ganze karibische Inselgebilde nennt man absurderweise auch „Westindische Inseln“ („West Indies“), zum einen, weil Christopher Columbus damals auf der Suche nach dem Westweg nach Indien war und glaubte, Inseln vor der Küste Indiens gefunden zu haben, zum anderen, weil sich die Karibik bald nach ihrer Entdeckung zu einem Handelsarchipel für Europa, insbesondere Großbritannien, entwickelte, der sich in entgegengesetzter Richtung zu den schon früher bekannten Ostindischen Inseln (Indonesien, Philippinen, Malaysia, etc.) befand. Er war sozusagen das geographische Inselspiegelbild, das die imperialistische Weltkarte komplettierte. Es gibt heute noch viele traditionelle Institutionen, z.B. karibische Universitäten, die den Begriff „West Indies“ in sich tragen, aber bei den heutigen Einheimischen ist der Zusatz „Caribbean“ entschieden beliebter, verbindet man doch mit „Westindien“ zu viel koloniale Vergangenheit.
Den Namen der einzelnen Teilregionen der Kleinen Antillen kann man schon entnehmen, dass sich hier viel um den Wind, und zwar vor allem den Nordostpassat dreht.
Globale Windsysteme, der Nordostpassat in gelb
Diesem ständig wehenden Wind sind die östlichen Inseln der Karibik, die „Inseln über dem Winde“, in besonderem Maße ausgesetzt, allen voran der östlichste Vorposten Barbados, an dessen Nordostspitze dieser Wind und seine Wirkung auf die wilde Brandung gegen die Küste unmittelbar greifbar wird. Der Nordostpassat bringt auch viel über dem Atlantik aufgenommene Feuchtigkeit mit, die im Inneren der Inseln oft für viel Regen und tropische Vegetation sorgt. Für die landwirtschaftliche Produktion ist er ein Segen. Die viel weiter westlich gelegenen „Inseln unter dem Winde“ werden weit mehr von den Passatwinden verschont, sind aber daher auch viel trockener.
Der ewige Nordostpassat hat den Küsten aller Inseln der Kleinen Antillen seinen unverwechselbaren Stempel aufgedrückt; sie haben alle eine windige, raue, oft aus felsigen Klippen bestehende Ostküste, gegen die unentwegt die Brandung rollt und die außerhalb schützender Buchten zum Baden und Tauchen ungeeignet und oft zu gefährlich ist, und eine ruhigere, sanfte, mit Sandstränden gesegnete Westküste, die im Windschatten der Insel liegt. Oft nennt man die Ostküste die atlantische Seite und die Westküste die karibische Seite.
Grenada
Bei den vier Inseln handelt es sich um vier unabhängige Staaten, was die Komplikation mit sich bringt, dass die teilweise nur 30 Minuten dauernden Flüge zwischen ihnen internationale Flüge sind, die jeweils von einem lästigen Prozess der Immigration, Emigration, Zolldeklaration und Zollkontrolle begleitet sind. Glücklicherweise ist die Gestaltung des Immigrationsformulars überall ähnlich, so dass man schnell Übung im Ausfüllen desselben gewinnt.
St. Lucia
Grenada, St. Lucia und St. Vincent haben auch die gleiche Währung, den Ostkaribischen Dollar, was die Währungstauscherei deutlich reduziert. Nur Barbados hat mit dem Barbados-Dollar eine eigene Währung, akzeptiert aber, wie auch die anderen drei Inseln, praktisch überall US-Dollar. Die Landeswährungen sind mit einem Festkurs an den US-Dollar gebunden, d.h. der Kurs gegenüber dem US-Dollar schwankt nie, aber gegen den Euro schon, eben im gleichen Maße wie der Kurs zwischen US-Dollar und Euro. Bettler sind finanzwirtschaftlich am besten bewandert und akzeptieren jegliche Währung. Als ich einmal 2 ostkaribische Dollar aus dem Portemonnaie hervorkramte, kam sofort bei einem nur flüchtigen Blick in die Börse der begeisterte Ruf „Give me the 2 Euro coin!“ (was mehr als das dreifache ist, wie der Schalk gewiss wusste)
St. Vincent and the Grenadines
Historisch haben alle vier Länder eine grob vergleichbare Vergangenheit. Die Inseln wurden vermutlich von Columbus – aus europäischer Sicht – zuerst entdeckt, konnten aber nicht wirklich das Interesse der spanischen Krone wecken. Man war mehr auf das Gold des südamerikanischen Kontinents aus. Deshalb sind die spanischen Einflüsse sehr gering und Spanisch ist trotz der Nähe zu Südamerika auf den Kleinen Antillen eine Fremdsprache, die man evtl. in der Schule, autodidaktisch oder gar nicht lernt. Die Inseln gerieten dann schnell in den Strudel anderer europäischer Seemächte, allen voran Großbritannien, Frankreich und die Niederlande. Auf den vier Inseln, die ich besucht habe, waren es hauptsächlich Großbritannien und Frankreich, die sich über Jahrhunderte um den Besitz gestritten und dort Schlachten ausgefochten haben. Beide haben den Inseln mehr oder weniger in Ortsnamen, Sprache und Gebräuchen ihren Stempel aufgedrückt.
Barbados
Heute sind die Staaten unabhängig, gehören aber alle zum britischen Commonwealth. Man fährt links und die offizielle Landessprache ist überall englisch, das aber im Alltag unter den Einheimischen durch Patois, einer mit dem Kreolischen verwandten Mischung aus afrikanischen Sprachen, englisch und französisch ergänzt wird – mehr französisch geprägt auf St. Lucia, mit eher englischem Schwerpunkt auf den anderen drei Inseln. War die Ökonomie in der Vergangenheit noch von der Landwirtschaft mit Kaffee, Gewürzen, Zucker und Bananen getrieben, so ist sie heute vom Tourismus dominiert. Die Gäste sind der kolonialen Geschichte entsprechend zum ganz überwiegendem Teil englischer oder amerikanischer Herkunft. Als deutscher Tourist ist man ein wenig ein Exot, insbesondere wenn man eine Unterkunft auf den Inseln hat – aber das macht die Leute oft neugieriger als die viel häufigere Begegnung mit dem allgegenwärtigen Gast aus England. Eine Unterkunft zu haben, ist nicht selbstverständlich, da ein großer Teil aller Besucher heutzutage von Kreuzfahrtschiffen aus über die Inseln herfällt, sie morgens heuschreckenartig aufsucht und abends wieder verlässt. Man ist trotzdem deswegen nicht negativ gestimmt, denn diese Tagesbesucher sind ein ernster Wirtschaftsfaktor, von dem so mancher Einheimische lebt, eher als vom Pauschalresorttouristen, dessen Geld in die Taschen großer Hotels und Hotelketten fließt, die sich in ausländischer, meistens amerikanischer, Hand befinden.
Geht man durch die Ortschaften und Dörfer auf den Inseln, so mag man sich leicht inmitten einer afrikanischen Bevölkerung wiederfinden. Das ist nicht nur ein Vergleich, tatsächlich sind die Menschen zu etwa 90% oder mehr ihrer Herkunft vor Generationen nach Afrikaner. Zurückzuführen ist das auf das dunkelste Kapitel der an sich schon dunklen Kolonialgeschichte, den Sklavenhandel, der ein Teil des sogenannten Atlantischen Dreieckshandels war.
Dabei wurden Sklaven von den westafrikanischen Kolonialgebieten in die Karibik und nach Nordamerika verschleppt, dort zur Arbeit auf den Feldern gezwungen, die Früchte ihrer Arbeit wurden ihnen weggenommen und nach Europa verschifft, wo sie verkauft und in andere Waren umgewandelt wurden. Diese Produkte gingen wiederum in die westafrikanischen Kolonien zum Ankauf neuer Sklaven – und der Kreislauf begann von Neuem. (Der von Ost nach West wehende Passat, die nördlicheren von West nach Ost gerichteten Winde und der Golfstrom waren dabei übrigens ideale Unterstützer für diesen Kreislauf der Segelschiffe und machten den Transport schnell und relativ einfach.) Der Brutalität auf den Transportschiffen und den Härten der Feldarbeit sind Zig-Millionen zum Opfer gefallen.
Häufig fallen übrigens auch Menschen anscheinend indischer Herkunft auf den Inseln auf. Deren Vorfahren wurden nach dem Verbot der Sklaverei Mitte des 19. Jahrhunderts als Arbeiter auf den Plantagen angeheuert und haben sich dort für immer niedergelassen.
So befremdend das Gefühl von Nationalstolz für mich ist, kann man vielleicht aufgrund dieser Geschichte verstehen, warum man es mit der Unabhängigkeit, der eigenen selbstbestimmten Nation und ihren rechtlichen Spielregeln in diesen Kleinstaaten so ernst nimmt. Die Immigatrionsbeamtin auf Grenada hat mit finsterster Miene und so spannungsaufbauender Langsamkeit alle Details meines Reisepasses studiert, bevor sie ihn mit all ihrem amtlichen Gewicht mit den notwendigen Einreisestempeln versehen hat, dass ich beinahe schlottrige Knie bekam – ich musste erst einmal prüfen, ob es nicht ein „Immigration Rejected!“-Stempel war -, und dann setzte der Zollbeamte mit einem Kreuzverhör, bei dem ich die ganze Zeit das Gefühl hatte, er wolle mich in Widersprüche verwickeln, noch einen drauf. Alle Achtung! Ein Wort wie „Bananenrepublik“ würde ich hier auf keinen Fall über die Lippen zu bringen wagen!
Ja, Grenada war der Startpunkt der Reise, danach folgte St. Lucia, dann Bequia, eine Insel, die zu St. Vincent und den Grenadinen gehört, und zum Abschluss Barbados.
Reiseroute zwischen den Inseln
Auf den Inseln hatte ich teilweise mehrere Unterkünfte, acht insgesamt in zweieinhalb Wochen, zwischen denen es größtenteils mit einem Mietwagen hin- und herging, manchmal mit dem Taxi. Die Verbindung zwischen der Hauptinsel von St. Vincent und Bequia ist eine etwa einstündige Fährüberfahrt. Die Flugverbindungslücke auf St. Lucia erklärt sich dadurch, dass die Insel zwei Flughäfen hat und ich sie auf dem südlichen Flughafen betreten und auf dem nördlichen wieder verlassen habe.
Eine Menge Fotos sind entstanden, aber davon dann mehr in den folgenden Blogposts.